Türkische Regierung plant Deportationen in Kurdistan

■ Ganze Dörfer sollen in die Westtürkei umsiedeln, angeblich wegen Aufforstung / Kurden müßten sich auf fremde Anbaumethoden einstellen / Zwangsumsiedlungen haben Tradition

Berlin (taz) - 234 Dörfer der Provinz Tunceli im Osten der Türkei sollen mit ihren 50.000 Einwohnern in nächster Zeit umziehen. Als Grund für die Zwangsmaßnahme wird angegeben, das Gebiet der Dörfer solle wiederaufgeforstet werden, und dabei stören die Siedlungen. Umziehen sollen die Einwohner in südliche bzw. südwestliche Gebiete der Türkei, in die Gegend von Mersin, Antalya, Mugla und Izmir. Die dort betriebene Landwirtschaft hat mit den Anbaumethoden in der Heimatprovinz wenig gemein. Darüberhinaus müßten viele Bewohner erst einmal Türkisch lernen. Die Beteuerungen der Regierung, es handele sich nicht um eine Deportation, sondern um eine freiwillige Aktion der Beteiligten, wird selbst von Abgeordneten der beiden sozialdemokratischen Parteien bezweifelt. In der Tat ist die Deportation von Bewohnern aus der Provinz Tunceli nichts Neues. Sie sind Kurden und im Gegensatz zu den meisten Türken Schiiten, sie sind bekannt für ihren Widerstand gegen den türkischen Zentralstaat und für ihre Unterstützung linker Parteien. Nach dem Aufstand von Dersim, das später in Tunceli umbenannt wurde, vor fast fünfzig Jahren, waren Tausende Kurden von türkischen Soldaten blutig niedergemetzelt worden. Nach der Niederschlagung wurde Zehntausende in den Westen der Landes zwangsdeportiert. Auch in den letzten Jahren sind im Rahmen der Bekämpfung der kurdischen Guerilla, die in diesem Gebiet stark unterstützt wird, immer wieder Einzelpersonen, Familien oder ganze Dörfer in die Westtürkei umgesiedelt worden. Damit sollen sie assimiliert und die „kurdische Frage“ genauso effizient gelöst werden, wie es die „Jungtürken“ mit den Armeniern gemacht haben. Am Samstag fand in München eine spärlich besuchte Demo gegen die geplanten Deportationen statt. ant–