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Prüfen „Phantome“ Atomanlagen in NRW?

■ Die Mehrheit der angeblich vertraglich verpflichteten Gutachter weiß von nichts / Wirtschaftsministerium schweigt über „Zwischenbericht“ / Professor Dr. Benecke bittet den nordrhein–westfälischen Wirtschaftsminister Jochimsen um Gespräch

Aus Bochum Petra Bornhöft

Immer länger wird die Liste der Ungereimtheiten bei der sicherheitstechnischen Überprüfung nordrhein–westfälischer Atomanlagen in Hamm–Uentrop, Würgassen, Jülich und Gronau. Weder scheint der Informationsfluß zwischen dem Auftraggeber, dem Düsseldorfer Wirtschaftsministerium, und dem Generalunternehmer Elektrowatt Ingenieurunternehmung AG (EWI) zu funktionieren, noch weiß die Mehrheit der angeblich vertraglich verpflichteten Subgutachter von ihren Aufträgen. Während das Ministerium bereits den zweiten „Zwischenbericht“ erwartet, kennt die Pressestelle noch nicht einmal den Inhalt des ersten. In der „zweiten Jahreshälfte“ soll das Abschlußgutachten vorliegen, ohne daß die Beteiligten bisher einen Gedanken auf Vertragsmodalitäten, geschweige denn gegenseitige Abstimmung verwenden konnten. Immerhin sah sich das Wirtschaftsministerium infolge eines taz–Berichtes über die prüfende Atomlobby (13.2.) in der Lage, nun eine komplette Liste der „beizuziehenden“ Gutachter zu veröffentlichen. Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des Ministeriums mit, daß „alle Institutionen und Personen den Vertrag mit Elektrowatt unterschrieben haben“. Dagegen konnte Otto Berners, Geschäftsführer der Mannheimer EWI, am Freitag nur Verträge mit den TÜV–Arbeitsgemeinschaften West, Rheinland und Hannover sowie dem Bochumer Ingenieurbüro Zerna bestätigen. Speziell diesen vier Partnern obliege die Beschaffung von vorhandenen Informationen aus den Atomanlagen. „Alleine würden wir das terminlich gar nicht schaffen“, so Berners zur taz, „diese Beteiligten waren ja bisher schon eingeschaltet“ - in die Genehmigungsverfahren nämlich, aus denen alle vier Subgutachter als stramme Atomkraftbefürworter bekannt sind. Zu „etablierten Handlangern des TÜV“ zählen Insider neben der EWI die auf Wunsch des Ministe riums zu beteiligende Ingenieurunternehmung Bonnenberg und Drescher aus Aldenhoven. Etwas weniger bekannt, aber ausgewiesen durch einen Aufsatz über das Verhalten von HTR– Spannbetonbehältern „bei extrem unwahrscheinlichen Störfällen“, so ein Co–Autor des Bochumer Zerna–Büros, ist Professor Dr. Ulrich Schneider, Baustoffkundler an der Gesamthochschule Kassel. Unter Studenten und Wissenschaftlern aus Kassel gilt Schneider als Atomkraftbefürworter. Inwieweit der rechte FDP–Mann seine Kenntnisse in die Untersuchung einbringen wird, ist unklar. Er habe „noch nichts unterschrieben“, sagte Schneider zur taz. Das gilt auch für Professor Dr. Compes von der Wuppertaler Gesamt hochschule. Der Dekan am Fachbereich Allgemeine Sicherheitstechnik glaubte beim Anruf der taz zunächst an einen „Karnevalsscherz“. Obgleich Compes „eine Menge über Kraftwerke weiß, würde ich mich nie als Spezialist für Sicherheitstechnik bei Kernkraftwerken bezeichnen, eher als Generalist in Fragen von Risiken allgemein“. Er verfolge einen „systematischen Ansatz“ und sei „besonders interessiert an sozialpädagogischen und humanbiologischen Aspekten von Gefährdung“. Trotz dieses eher unspezifischen Fachwissens schimmert für Wuppertaler Studenten „in Compes Vorlesungen ein ungestörtes Verhältnis zur Atomkraft durch“. Der dritte, ebenfalls nicht in formierte Wissenschaftler auf der Gutachterliste, Dr. Ahmet Cakir, ist Leiter des Berliner“ Ergonomic Institute“ für Arbeits– und Sozialforschung. Er hat dem Ministerium die Hinzuziehung eines Arbeitswissenschaftlers vorgeschlagen, weil auch der Störfall in Harrisburg „ganz wesentlich ergonomischen Mängeln in der Warte des Kraftwerkes geschuldet war. 50 Fehlermeldungen auf einmal wahrzunehmen überforderte das Personal“, sagte der Fachmann für menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung zur taz. Der letzte auf der Gutachterliste des Ministeriums, Professor Dr. Benecke, ist zugleich der einzige, der sich als Atomkraftkritiker mit einer Gegenstudie zum Schnellen Brüter ausgewiesen hat. Ihm platzt jetzt bald der Kragen, weil er immer noch keine offizielle Mitteilung erhalten hat. Daher bat er am Freitag Minister Jochimsen um ein Gespräch. Benecke will zunächst, so er von der EWI angesprochen wird, über Inhalte der Sicherheitsüberprüfung und Vertragsmodalitäten verhandeln, bevor er einer Mitarbeit zustimmt und das Darmstädter Öko– Institut eventuell hinzuzieht. Dort klagt niemand über Arbeitsmangel. Diplom–Physiker und Reaktorsicherheitsexperte Lothar Hahn zur taz: „Uns hat niemand um Mitarbeit gebeten. Mittlerweile kann ich mir aber auch kaum noch vorstellen, daß in der kurzen Zeit überhaupt ein solides Gutachten praktisch machbar ist“ (Siehe auch Leserbriefseite).

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