Betrogene Peoples Power

■ Zu den Jahrestagsfeiern auf den Philippinen

Die Geschichte wird sich in diesen Tagen auf den Fernsehschirmen der Welt wiederholen. Hunderttausende Philippinos werden dieses Jahr, wenn sich der Sturz von Marcos jährt, wieder vor den Militärcamps tanzen, gelbe Luftballons fliegen lassen und sich mit Soldaten verbrüdern. Peoples Power, wie sie leibt und lebt. Dennoch haftet den Jahrestagsfeiern zum Sturz der Diktatur etwas Verlogenes und Künstliches an. Zwar hat Corazon Aquino es geschafft, allen Ränken und Intrigen zum Trotz an der Macht zu bleiben und damit rechten wie linken Skeptikern bewiesen, daß sie nicht die schwache Marionette ist, für die viele sie zunächst gehalten haben. Doch diesen Triumph verdankt sie nicht der Peoples Power, der geballten Macht eine geeinten Volkes oder der Durchsetzung der versprochenen Reformen, sondern sehr viel mehr dem traditionellen Instrumentarium der Machtpolitik, verbunden mit einer Portion persönlicher Tapferkeit. Das Militär hat in diesem Spiel längst seine Unschuld verloren, wie die Zahl der Massaker und politischen Morde beweist. Statt einer breiten Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen wurde mit der neuen Verfassung eine ausgesprochen elitäre Form des Parlamentarismus etabliert. Liberale Kabinettsmitglieder wurden und werden in den kommenden peu a peu ausgetauscht, das Militär hat nach dem Auslaufen des Waffenstillstandes mit der linken Guerilla eine Art Persilschein erhalten. Die Tatsache, daß nach wie vor die Mehrheit der philippinischen Bevölkerung Aquino respektiert und bewundert, ändert nichts daran, daß die Peoples Power weitestgehend zu einem Legitimations– und Propagandainstrument der Regierung verkommen ist. Nina Boschmann