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Türkei plant erneuten Einmarsch in Nord–Irak

■ Nach Massaker in einem kurdischen Dorf will die türkische Armee zum dritten Mal Stellungen kurdischer Guerillas im Irak angreifen / Einmarsch in kurdische Gebiete im Irak für die Türkei nach irakisch/türkischem Vertrag erlaubt

Istanbul (taz) -Zuverlässigen Quellen aus Ankara zufolge wird die türkische Armee in allernächster Zeit erneut die Grenze zum Irak überschreiten, um die dort vermuteten Stellungen der Guerilla, der kurdischen Arbeiter– und Bauernpartei (PKK), anzugreifen. Dies wurde im Anschluß an ein Treffen bekannt, zu dem Staatspräsident Evren am Montag den stellvertretenden Ministerpräsidenten Erdem, Außenminister Halesoglu und Generalstabschef Ürug zusammengerufen hatte. Das Treffen war eine Reaktion auf ein Massaker in einem kurdischen Dorf unmittelbar an der irakischen Grenze am vergangenen Sonntag abend, bei dem 14 Menschen getötet und neun verletzt worden waren. Nach Darstellung der türkischen Presse geht das Massaker in dem Dorf Tasbelen in der Provinz Hakkari auf das Konto der kurdichen Arbeiter– und Bauernpartei, die angeblich seit längerem versucht, durch Überfälle auf kleinere Dörfer die vom Militär eingesetzten Milizen einzuschüchtern. Danach sollen gegen 19 Uhr abends zwischen 30 und 35 als Offiziere und Soldaten verkleidete Mitglieder der PKK in das Dorf gekommen sein und die Bewohner zum Appell in die Dorfschule befohlen haben. Als die vermeintlichen Soldaten nach den Dorfmilizionären fragten, sollen die zwei im Dorf vorhandenen Milizionäre Verdacht geschöpft haben und geflüchtet sein. Aus Wut darüber seien die vermeintlichen Soldaten dann in die Häuser der beiden Geflüchteten eingedrungen und hätten die Familienangehörigen erschossen. Durch Handgranatenwürfe seien überdies neun weitere Personen verwundet worden. Zum Abschluß der Aktion seien die Männer durchs Dorf gefahren und hätten per Megaphon die Bevölkerung davor gewarnt, sich von der Armee als Milizionäre einsetzen zu lassen. Die Männer seien in Richtung irakische Grenze verschwunden, die nur drei Kilometer vom Dorf entfernt liegt. Ob dieser Überfall jedoch tatsächlich auf das Konto der PKK geht und warum sie für ihre Aktion in Militäruniform auftrat, wird aus den bislang verfügbaren Informationen nicht zweifelsfrei klar. Eine Stellungnahme der PKK liegt nicht vor. Gezielte Angriffe auf Milizen Allerdings paßt der Überfall auf das Dorf Tasbelen zu vier vorangegangenen Angriffen der PKK in diesem Jahr, bei denen ebenfalls gezielt die Milizen herausgegriffen wurden. Bei den insgesamt fünf Angriffen in diesem Jahr sind nach Angaben der türkischen Presse 34 Milizionäre und deren Angehörige getötet worden. Dementsprechend wird das seit 1985 von der türkischen Armee betriebene Konzept, in jedem Dorf Milizen zu installieren und so die Kurden gegeneinander kämpfen zu lassen, von den Oppositionsparteien kritisiert. Die Sozialdemokraten beklagen die Sinnlosigkeit der Miliz, die sich nicht einmal selbst schützen könne. Alle Oppositionsparteien, ob rechts oder links, verweisen ebenfalls, da auf Staatstreue eingeschworen, auf das Gewaltmono pol, welches den Staat durch den Einsatz der Milizionäre strittig gemacht werden. Armee und Staatschef, so wurde nach der oben erwähnten Sitzung bekannt, wollen jedoch nun die Dorfmiliz weiter verstärken. Außerdem seien größere Einheiten in Richtung irakische Grenze in Marsch gesetzt worden. Laut einem Vertrag zwischen der Türkei und dem Irak dürfen türkische Truppen auch die Grenze überschreiten, um sogenannte Separatisten zu verfolgen. Daß eine solche Operation wieder unmittelbar bevorsteht, wurde von Teilnehmern der Sitzung nicht dementiert. Bereits 1985 und im August 1986 war die türkische Armee bis zu 50 Kilometer auf irakisches Staatsgebiet vorgedrungen.

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