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CeBIT: Leistungsschau der Computerindustrie

■ Trotz Computer–Euphorie: der Markt wird enger / Neue Normen gegen IBM?

Hannover (taz) - Heute beginnt in Hannover die Computer–Messe CeBIT. Die nach Angaben der Veranstalter weltgrößte Schau der Computer–Branche bietet eine Woche lang Produkte und Programmatisches zu den neuesten Trends in der Kommunikationstechnologie. Als der Bildschirmtext vor drei Jahren gestartet wurde, überschlugen sich die Prognosen: bis Ende 86 sollten eine Million Bundesbürger/innen an das System angeschlossen werden - tatsächlich waren es dann knapp 60.000. Die Tele–Heimarbeitsplätze sind den Unternehmern oftmals immer noch zu teuer, und auch die Benutzung von Datenbanken steigt wesentlich langsamer als ursprünglich geschätzt. Trotz solcher immer wieder nach unten revidierter Planzahlen: kaum eine andere Branche zieht zu ihrer größten Messe ein solches Feuerwerk von Neuentwicklungen ab wie die Elektronik– und Computerindustrie. Zum Hit soll genau zehn Jahre nach der Entwicklung des Home–Computers eine neue Generation von Personal–Computern werden, die es in der Leistungsfähigkeit mit Großrechnern aufnehmen können. Vom Fernkopierer bis zum Rechner mit „künstlicher Intelligenz“ bieten die Hersteller aus 35 Ländern alles das an, was sich in den nächsten ein, zwei Jahren am Markt etablieren soll. Die Zeit sitzt ihnen dabei im Nacken, denn der EDV–Markt verengt sich. Angesichts magerer Konjunktur–Erwartungen läuft der Verkauf zäh. Oft hat sich das Mißtrauen gegen die Vielseitigkeit der angepriesenen Produkte als gerechtfertigt herausgestellt; mancher PC steht nur noch als Statussymbol auf dem Firmenschreibtisch eines Mittelständlers herum. Die Entwicklungstendenzen werden auf den parallel zur CeBIT stattfindenden Fachtagungen, Symposien und Kongressen gezeichnet - oftmals nüchterner als in den Hallen. Nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu diskutieren gibt es genug: In der Bundesrepublik fiel der Umsatz–Zuwachs der Branche von durchschnittlich 22 Prozent seit 1981 auf 17 Prozent im letzten Jahr. Erwischt hat es den weltgrößten Computerbauer IBM, der im letzten Jahr einen Gewinn–Rückgang von 27 Prozent hinnehmen mußte. Wang, etablierter US–Hersteller von Systemen zur Bürokommunikation, buchte im letzten Quartal 86 knapp 80 Millionen Dollar Verluste. Und die unabhängigen Anbieter von gebäude–internen Kommunikationsnetzen sollen von derzeit 300 auf nur noch vier oder fünf im Jahr 1991 zusammenschrumpfen - sie stehen unter hartem Konkurrenzdruck der Postverwaltungen, die mit ihren Breitband–Kommunikationsangeboten solche Netze überflüssig machen wollen. Fusioniert wird derweil wie nie zuvor. Analog dazu wird auch bei den Produkten heftig vereinheitlicht - Standardisierung heißt die nächste Etappe. Denn auf Dauer versperrt sich die Vielzahl von Computern, Betriebssystemen und Anwenderprogrammen gegenseitig den Markt. Die wichtigsten Standards für die Kommunikation zwischen EDV–Geräten wurden von IBM durchgesetzt, und die Hersteller von Schnittstellen verdienten sich im Schatten nicht zu einander passender Programme goldene Nasen. Das soll bis Anfang der neunziger Jahre anders werden. Die Regierungen der EG–Länder und mit ihnen die europäischen Computerbauer sind heftige Befürworter vom Hersteller unabhängiger Standards. Im Moment hapert es noch an den technischen Voraussetzungen - IBM hat einen Zeitvorsprung von zwei Jahren. Doch wenn der eingeholt ist, scheint es nicht einmal so schwierig, neue Normen zur Not auch gegen IBM durchzusetzen, wenn der Konzern sie nicht übernimmt. Die EG– Wirtschaftsminister haben die Richtlinien zum Kauf von Computern für die öffentliche Verwaltung inzwischen vereinheitlicht. IBM soll mit ihrer Marktmacht rechnen: in der BRD wird bereits jeder fünfte Computer vom Staat angeschafft. Nach der Messe wird sich etwas deutlicher abzeichnen, wer sich in den nächsten Jahren von seinen Träumen verabschieden muß. Im Vorfeld der CeBIT ließ der Zentralverband der elektrotechnischen Industrie bereits verlauten, daß die Zahl der Beschäftigten in der Branche sich in diesem Jahr nicht erhöhen wird. Dietmar Bartz

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