: „Zukunft der Post“ an Olivetti gescheitert
■ Warum der Bericht über die Fernmelde–Monopole der deutschen Bundespost erst gestern auf der Wirtschaftsseite stand, und was passieren kann, wenn einem auf einer Computer–und Software–Messe, der CeBIT in Hannover, ein überaus sensibles High–Tech–Produkt kaputtgeht...
Aus Hannover Dietmar Bartz
Für die Wirtschaftsredakteurin in Berlin war alles ganz einfach. Sie wollte den Bericht über die Zukunft der Post–Monopole haben, die bei einem Kongreß auf der CeBIT–Messe in Hannover diskutiert wurden. „Wenn Dein Akustik–Koppler kaputt ist, geh doch einfach morgen zu einem Stand und borg Dir einen aus. Die ganze Messe ist doch voll davon. Aber Dein Text muß ganz früh hier sein. Um elf ist Redaktionsschluß!“ da ist was dran, theoretisch, d.S. Ich bin mißtrauisch: zu viele Klagen habe ich hier in den letzten Tagen darüber gehört, daß auch bei den neuen Datenübertragungs–Systemen noch kaum ein Gerät zum anderen paßt. Aber es kann ja auch klappen. Die taz– Technik ist vergleichsweise simpel: an den kleinen tragbaren Textcomputer mit Bildschirm, den wir „texi“ nennen, kann man einen Akustik–Koppler anschließen. Dessen Hör– und Sprechmuscheln werden über einen Telefonhörer gestülpt, man wählt eine Berliner Nummer an, der Akustik–Koppler überträgt den Text in Ton–Signale und schickt sie durchs Telefon. Am anderen Ende, in Berlin, werden sie wieder in den Text zurückübersetzt und dann ausgedruckt. „Please, do you speak english?“ Heilfroh bin ich, als am nächsten Morgen um 9 Uhr die Tore zur CeBIT wieder geöffnet werden: der größte Teil der 500 Besucher/ innen, die schon am Tor „Nord 1“ des Messegeländes warten, strömt direkt in die berüchtigte Halle 1. Dort sind die Büro– und Informationssysteme aller nam haften Computerfirmen ausgestellt, dort läuft das Massengeschäft auf der CeBIT. 9 Uhr 10, die Halle 4 für Büro– und Organisationstechnik ist noch völlig leer. Olivetti hat die „M– 10“–texis hergestellt, der Firmenstand ist schnell gefunden. Der Olivetti–Vertreter schaut freundlich, als ich auf ihn zueile und ihm schnell mein Problem erkläre. - „Please, do you speak english?“ Was heißt jetzt Akustik–Koppler auf Englisch? Er versteht zwar nicht meinen Wunsch, aber den Begriff. „Acoustic couplers, yes. No, Im sorry.“ Aber am Olivetti– Stand in Halle 1 könne man mir sicherlich weiterhelfen. Seufzend mache ich mich auf den Weg. Das Messe–Gelände ist riesig, und als ich in der Halle 1 ankomme, ist sie schon ziemlich voll. Die Luft riecht verbraucht und nach nassen Füssen. 50.000 Paar Schuhe sollen es heute werden. Endlich bin ich am Olivetti– Stand. Der Firmenname strahlt blaues Neonlicht auf die umliegenden Gänge, darunter stehen zwei Dutzend Terminals und Peripheriegeräte auf hundert hellgrauen, antistatischen Teppichboden–Quadratmetern. Dieser Teppichboden ziert inzwischen auch so manche Hannoveraner Wohngemeinschafts–Küche: die Handwerker–Jobs bei der Messe sind heiß begehrt und werden gut bezahlt, vor allem zum Standaufbau, und ungeheure Mengen von Werkzeug, Lampen und eben Teppichboden werden dort jedes Jahr abgezockt. Am Auskunftsschalter, wo sich schon um 9 Uhr 30 die informationshungrige Kundschaft drängelt, erkläre ich mein Problem. Die Dame bedauert - keine Koppler. Eine Notlösung fällt mir ein: ich könnte den Text auf einem der Ausstellungsgeräte ausdrucken lassen und dann per Fernkopie nach Berlin schicken. Die Dame nickt und zeigt zum Drucker–Stand. „Sie können ruhig deutsch sprechen.“ Durch Erfahrung vorsichtig geworden, spreche ich Herrn Laggi, Endzwanziger mit Schnauzbart und gebräunter Haut, gleich auf Englisch an. Er antwortet aufgeräumt: „Sie können ruhig deutsch sprechen. Ich spreche sieben Sprachen: Basic, Cobol, Assembler, Fortran...“. Ich erkläre ihm mein Problem. „Ausdrucken? Das geht“, bestätigt er und führt mich zu einem Schönschreibdrucker. Auf Farbdruck in lila oder grün verzichte ich, auch die Schrifttype ist mir egal. „Ach, Sie haben ein M–10, nicht das neue M–25? Das M–10 stellen wir nicht mehr her, und ich weiß nicht, ob die Stecker noch passen...“ Laggi beugt sich hinter sein edles Ausstellungsstück und betrachtet düster dessen verschiedene Zuleitungen und ihre Anschlüsse. Sein Gesicht hellt sich wieder auf. „Moment“, sagt er, „ich hole nur eben einen Schraubenzieher“. Er verschwindet, kommt jedoch mit einem Kabel zurück. Laggi probiert, und sein Stecker paßt tatsächlich in den einen der beiden Texi–Anschlüsse. Zwar nicht in den, über dem „Printer“ steht, sondern in den für den Akustikkoppler, aber egal. Vielleicht sind die neuen Olivetti– Drucker ja so klug, daß sie auch mit den Sende–Impulsen was anfangen können. Freundlich rückt Laggi mir einen Stuhl heran und wendet sich einer bereits EDV–erfahrenen Ärztin zu, die ihre Praxis jetzt mit einem „Mehrplatz–Minicomputer für vier Arbeitsplätze“ ausstatten will. Blockade im Computer Ich setze mich. Wie kriege ich die Blockade aus dem Computer? Auf alle Befehle, die mir bisher aus solchen Notlagen geholfen haben, reagiert er nicht mehr. Vom Himmel fällt: Kai. Er hatte mir eine halbe Minute über die Schulter geschaut und mich damit ziemlich nervös gemacht. „Ach, ein M 10!“, lächelt er. „Ist er abgestürzt? Darf ich mal? Ach, ist ja kein Wunder.“ Er hat die Lage sofort im Griff, murmelt etwas von seriellen und parallelen Schnittstellen, die man doch nicht verwechseln dürfe. Aber auf den Ständen seien eben Verkäufer und keine Techniker: „Die haben alle keine Ahnung.“ Kai, um die 20, arbeitet bei einem Olivetti–Vertragshändler und hat nach dreißig Sekunden das texi wieder flott. Er verschwendet jedoch eine kostbare Viertelstunde, um mir einen der „tollen“ Mannesmann–Drucker „gleich um die Ecke“ vorzuführen. Aber auch hier passen die Anschlüsse nicht. „Na, dann machen wir es eben mit einem Olivetti–Drucker. Und das Telefax schickste am besten vom Post–Stand ab, Halle 16, da ist sowieso nix los. Die sind froh, wenn sie etwas zu tun haben, und so kostet es nichts. Du glaubst gar nicht, was ich auf der Messe alles umsonst mache.“ Seine Erklärungen gehen im Gedränge des Rückweges unter. Wieder bei den Italienern, es ist inzwischen halb elf, ist Herr Laggi zwischen den Kunden verschwunden, und ich erläutere einem Herrn, dessen Plakette ihn ebenfalls als Olivetti– „Supporter“ ausweist, mein Problem. Der Standmann zuckt nur mit den Achseln und übergibt mich dem Presse–Referenten des Hauses, dem ich mein Problem erkläre. Der führt mich zwei Treppen hinunter, durch die Tiefgarage in den Keller unter der Halle. Dort sitzt ein Olivetti–Standtechniker, dem ich mein Problem erkläre. Der erzählt mir etwas von Druckern, die erst umkonfiguriert werden müssen... So früh habe ich noch nie die Messe verlassen, es war erst zwölf. Dietmar Bartz
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