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D O K U M E N T A T I O N Richter möchte keine Strafe

■ Ernst Grothe, Richter aus Hamburg und Teilnehmer an der Mutlanger Blockade, bietet sich als Kronzeuge an

Die „Blockade–Richter“ von Mutlangen werden einen Strafbefehl, falls ein solcher wider Erwarten ergehen sollte, nicht akzeptieren. Die Richter halten die Sitzblockade als nicht strafbar. Strafbefehlsverfahren werden von den Richtern als absolut ungeeignet erachtet, weil die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich geforderte Abwägung zur „Verwerflichkeit“ nicht stattfindet. Zwei der Richter haben der ermittelnden Staatsanwaltschaft bereits geschrieben. Von einem von ihnen könnten die Strafverfolger jetzt überraschende Unterstützung erfahren. Er bietet sich als Kronzeuge an. Wir dokumentieren den Brief: „Ich habe gehört, daß gegen uns Teilnehmer der Richterblockade geschwind ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung einge leitet worden ist. Ich möchte aber auf gar keinen Fall bestraft werden. Schon deshalb nicht, weil ich meine, daß für die Einordnung eines Verhaltens (hier Sitzblockade) in die Kategorie Straftat ein gesellschaftlicher Konsens erforderlich ist, von dem ich nicht einmal Ansätze sehe. Wenn vier von acht Verfassungsrichtern gegen eine herrschende Gerichtspraxis sagen, daß so etwas nie eine Straftat sei, die anderen vier, das sei sorgfältig von Fall zu Fall zu prüfen, wenn daraus dann in der Praxis doch „in der Regel“ eine Straftat gemacht wird, könnte man vielleicht auch meinen, daß dies irgendwie ein Mißbrauch von Machtverhältnissen innerhalb des Unterbaus der 3. Gewalt oder jedenfalls ein arges Fehlverständnis von der Aufgabe der Strafjustiz in dieser Gesellschaft sei. Gegen so etwas kann natürlich nur jemand kraftvoll aufstehen, der selbst aus dieser 3. Gewalt kommt, und insofern finde ich die Aktion für den gesellschaftlichen Klärungsprozeß dieser (an vielen Stellen im argen liegenden) Fragen wertvoll. Bei einer Spaltung des höchsten Gerichts vier zur vier ist es für mich eben wegen des offensichtlich fehlenden gesellschaftlichen Konsenses geradezu absurd, wegen derartiger Sachen weiter Strafverfolgung zu betreiben. Ansonsten würde ich jedenfalls gern zu dem Richter kommen, der in Mutlangen freispricht. Vielleicht klappt das ja. Zur Not würde ich aber auch als Kronzeuge zur Verfügung stehen. Ich könnte da sicher etwas erzählen über die, die dabei waren, aber auch über die, die man vielleicht wegen geistiger Mittäterschaft oder Gehilfenschaft herankriegen könnte. Womöglich könnten Sie da einen großen Fang machen. In diesem Sinne.“

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