Prost!

■ Die EG kippt das Reinheitsgebot für Bier

Jetzt auch noch das Bier! Man kann sich die Fachgespräche an den Stammtischen über die EG–Schweinerei lebhaft vorstellen: Wir sind die Zahlmeister und die vergiften uns. Vielleicht ist ja mit der Freigabe des deutschen Lieblingsgetränks für die chemische Apotheke tatsächlich ein Stück Empörung zu erreichen. Vielleicht zwingt der dröhnende Kopf Das Vertrauen in die Souveränität des Verbrauchers, der jetzt in den Supermärkten selbst entscheiden soll, ob er „reines“ deutsches oder Kopfwehmacher–Bier aus dem Ausland kauft, ist illusorisch. Gekauft wird allemal nach Preis, und hier werden sich Billigangebote durchsetzen, auch wenn deren Gerstensaft aus Mais und Soja besteht und die „Blume“ aus Schaumhaltbarkeitsmittel. Im Chor mit allen Stammtischen jault auch die Bundesregierung auf. Die Aufregung ist scheinheilig. Denn auch in der Bundesrepublik sind über hundert chemische Zusatzstoffe zugelassen. Wenn es nicht gerade ums Bier geht, ist man mit Konservierungsstoffen und Stabilisatoren, Farb– und Aromastoffen, Haltbarkeits– und Weichmachern weniger zimperlich. Und auch beim Bier geht es nicht um Reinheit und Gesundheit, sondern um harte Mark. Der Markt sollte von Importen freigehalten werden, und dazu waren das Reinheitsgebot und der „Kampf gegen die Chemie“ ein nützliches Vehikel. Mehr nicht. Die EG–Entscheidung ist skandalös. Nicht nur wegen des Bieres. Aber der Gerstensaft war der Präzedenzfall, dem eine ganze Reihe ähnlicher lebensmittelrechtlicher Verfahren folgen werden. Ob bei italienischen Spaghetti oder französischem Weißbrot, die Kopie aus anderen Ländern ist immer schlechter als das Original. Und die EG–Rechtsangleichung sorgt für eine Nivellierung auf unterstem Niveau. Alles gleich. Alles gleich schlecht! Manfred Kriener