: Franzose vor „Revolutionsgericht“
■ Pro–iranische Entführer drohen nach Ablauf des Ultimatums mit dessen Ermordung Appell der französischen Regierung / Lebensmittel für Beiruter Palästinenserlager
Beirut/Paris (ap/afp) - Eine proiranische Gruppe, die im Libanon einen französischen Fernsehtechniker in ihrer Gewalt hält, heute nach Ablauf eines Ultimatums am Samstag erneut mit der Ermordung ihrer Geisel gedroht. Die französische Regierung rief die Entführer auf, das Leben des 35jährigen Jean–Louis Normandin zu schonen, der vor einem Jahr in Beirut verschleppt worden war. In einem Kommunique der „Revolutionären Gerechtigkeitsorganisation“ (OJR) hieß es am Samstag abend, der Franzose sei vor ein „Revolutionsgericht“ gestellt worden. Eine erste Morddrohung war auf eine Stellungnahme des französischen Staatspräsidenten Francois Mitterrand gefolgt, der am Dienstag erklärt hatte, Frankreich verhandle nicht mit den Entführern und werde seine Militärhilfe für den Irak im Golfkrieg fortsetzen. Da Paris keine „Klarstellung“ zu der Erklärung Mitterrands abgegeben und Frankreich „den Krieg erklärt“ habe, werde Normandin zum Tode verurteilt, hieß es ferner in dem OJR–Kommunique. Das Pariser Außenministerium betonte in einem am Samstag abend veröffentlichten Kommunique, Frankreich sei um möglichst gute Beziehungen mit den Staaten des mittleren Ostens bemüht. Insbesondere wolle Paris die vor elf Monaten eingeleitete Normalisierung der Beziehungen zum Iran fortsetzen, von der die französische Regierung „positive Folgen in verschiedener Hinsicht“ erwarte. Die Entführer wurden aufgefordert, das Leben Normandins zu schonen, der „in keiner Weise in die Nahost–Ereignisse verwickelt“ sei. Nach wochenlanger Belagerung ist das Beiruter Palästinenserlager Borj al Brajneh am Samstag erstmals wieder mit Lebensmitteln versorgt worden. Wie die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) am Samstag mitteilte, durften drei Lastwagen mit von den Vereinten Nationen zur Verfügung gestelltem Mehl, Reis und Milch den von der schiitischen Amal–Miliz um das Lager errichteten Sperrgürtel passieren. Der Konvoi sei von syrischen Militärbeobachtern begleitet worden. Auch die Belagerung des zweiten Beiruter Palästinenserlagers, Chatilla, wurde am Freitag und Samstag gelockert. Die Frauen durften das Lager verlassen und Lebensmittel kaufen.
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