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§218 wird ausgehöhlt

■ Beratungsgesetz verschärft Abtreibungspraxis

Der Kindernahrung–Hersteller Milupa und das Bundesfamilienministerium unterstützten am Wochenende in Bonn eine Fachtagung „Chancen für das ungeborene Leben“. Gekommen waren vor allem diejenigen, denen die Abtreibungspraxis schon lange ein Dorn im Auge ist. Der Präsident der Gesellschaft für Gynäkologie, Professor Lutwin Beck, plädierte für eine effektive Überzeugungsarbeit zur Austragung der Schwangerschaft. Familienministerin Süssmuth verteidigte die bestehende Rechtslage. Das neue Beratungsgesezes kommt einer alten Forderungen der „Christdemokraten für das Leben“ entgegen.

Für den „Schutz des ungeborenen Lebens“, also gegen jede selbstbestimmte Entscheidung der Frau für eine Abtreibung, hat die CDU/ CSU seit Einführung der nicht einmal besonders libralen Indikationsregelung nie aufgehört zu kämpfen. Zwar haben sich die CDU–Frauenvereinigung und die meisten Frauen der CDU/CSU– Bundestagsfraktion gegen deren völlige Abschaffung zur Wehr gesetzt - gleichzeitig ist aber seit der Regierungsübernahme im Bund 1982 der innerparteiliche Druck von rechts auf die Parteispitze gewachsen. Daß es sich dabei keineswegs um marginale Kräfte handelt, zeigt die Entscheidung der CDU auf ihrem Parteitag in Mannheim 1986, einen Sonderparteitag zum Thema „Schutz des Lebens“ für 1987 einzuberufen, für den allerdings immer noch kein exakter Termin feststeht: Die Strategen der Bundesgeschäftsstelle sahen keinen anderen Weg mehr, die wachsende Unzufriedenheit bestimmter Interessengruppen mit der angeblichen Untätigkeit der Union in Sachen Abtreibung zu besänftigen. Eine innerparteiliche Offensive hatten 1985 rechte „Lebensschützer“ in der Union mit der Gründung der „Christdemokraten für das Leben“ (CDL) gestartet: eine Rechtsaußengruppe, die bis Januar 1987 nach eigenen Angaben über tausend Einzelmitglieder, davon 13 Bundestagsabgeordnete, gewinnen konnte. Erklärtes Ziel der CDL, die kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen weitgehend unbemerkt, offensichtlich aber doch mit nachhaltiger Wirkung an die Öffentlichkeit traten, war es, daß die Praxis des § 218 verschärft würde. Selbst mit Familienministerin Süssmuth, so erklärte die CDL– Vorsitzende Johanna von Westphalen, sei man sich bei einem Treffen im Herbst 1986 einig geworden, daß Handlungsbedarf be stehe. Neben zahlreichen weitergehenden Vorschlägen wurde als Minimalforderung aufgestellt: die Veränderung der Beratungspraxis. Ebenfalls im Januar 87 kam auch aus einer ganz anderen Ecke eine bemerkenswerte Attacke gegen die „Massentötung ungeborenen Lebens“: Christoph Böhr, Bundesvorsitzender der parteiintern eher zum modernen rechten Flügel zählenden Jungen Union, profilierte sich mit einem Interview, in dem er die CDU aufforderte, endlich Maßnahmen gegen den „Mißbrauch des § 218“ zu ergreifen. Zwang zur Mutterschaft Die ideologische Offensive, das wird an diesen beiden Beispielen deutlich, ist von ihrer Grundausrichtung her keineswegs nur Anliegen eines CDU–Flügels - wenngleich die konkret vorgeschlagenen Maßnahmen dann doch differieren. Auch Heiner Geißler hat, als er noch Bundesfamilienminister war, 1984 im Abschlußpapier einer interministeriellen Kommission zum „Schutz des ungeborenen Lebens“ die „ethische Pflicht und den biologi schen Zwang zur Mutterschaft“ feststellen lassen. Die auf seine Initiative hin gegründete Stiftung „Mutter und Kind“ ist ebenso wie das 1985 beschlossene Erziehungsgeld die andere Seite der Offensive gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau: Angestrebt ist die, durch geringfügige materielle Verbesserungen bewirkte, scheinbare Abschaffung von Notlagen. Die bislang wichtigsten Initiativen gegen das Recht auf Abtreibung sind den Unionsparteien aber auf Länderebene gelungen: in Baden–Württemberg, Rheinland–Pfalz, Bayern und, im Dezember 1985, auch in deren Vertretung, im Bundesrat. Ansatzpunkt allerorten: die durch den derzeit noch gültigen § 218 an die Länder delegierte Zuständigkeit für die Beratung. Das jetzt geplante Bundesberatungs–Gesetz soll, das wird von CDU–Abgeordneten auch bereitwillig zugegeben, die Beratungspraxis, wie sie in Bayern und Baden–Württemberg Usus ist, möglichst bundesweit durchsetzen. Die Idee dazu ist auch nicht so neu: Als Ende letzten Jahres Rheinland–Pfalz einen Antrag im Bundesrat stellte, Abtreibung aus dem Katalog der nach der Reichsversicherungsordnung zu bezahlenden Kassenleistungen zu streichen, einigte sich der Bundesrat als Kompromiß auf eine am 20.12.1986 gefaßte Entschließung, in der die entscheidenden Grundzüge des jetzt von der Koalition vereinbarten Beratungsgesetzes vorweggenommen sind. Länder als Vorreiter Ein Antrag, den die baden– württembergische CDU–Fraktion im Herbst letzten Jahres im Landtag gestellt hat, deutet an, wohin die Reise dann noch weiter gehen kann: Eine Beratung müsse „auf die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs hinweisen“, bei minderjährigen Schwangeren müßten die Eltern hinzugezogen und die Notlagenindikation sollte „als Unterfall der medizinischen Indikation“ angesehen werden. Letzteres allerdings wird auch künftig kaum durchsetzbar sein - denn der Koalitionspartner auf Bundesebene, die FDP, besteht strikt darauf, den Wortlaut der Paragraphen 218, 218a und 218b nicht anzutasten. In ihrem Parteiprogramm forderte sie schließlich die Fristenlösung. Oliver Tolmein

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