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Tausend blockierten das AKW Stade

■ Polizei löste am Samstag abend die Blockade mit Tränengaseinsatz auf / AKW–Gegner besetzten zwei Strommasten / Meterdicke Barrikaden vor den Werkseinfahrten / Jens Scheer bezichtigt die AKW–Betreiber der Lüge / Aktionen sollen fortgesetzt werden

Aus Stade Kai von Appen

Mit einer mehrstündigen Blockade des Atomkraftwerks Stade an der Unterelbe setzten am Samstag norddeutsche Atomkraftgegner ihre Aktionstage für die Stillegung des altersschwachen „Schrottreaktors“ fort. Am späten Nachmittag löste ein großes Polizeiaufgebot die Protestaktion auf. Über tausend Menschen waren dem Aufruf der „Gewaltfreien Aktionsbündnisse“ gefolgt und hatten sich am frühen Morgen vor den beiden Werkseinfahrten des Atommeilers versammelt. In wenigen Stunden bauten die Demonstranten zum Teil meterdicke Barrikaden auf. Zum gleichen Zeitpunkt besetzten Mitglieder der „Aktions gruppe Steinburg“ (Wilster Marsch) zwei nahegelegene Strommasten und brachten Transparente an, auf denen zu Aktionen gegen diese Stahlkonstruktionen am Jahrestag der Tschernobyl– Katastrophe aufgerufen wurde. Diese Gruppe hatte in den vergangenen Wochen durch zahlreiche Mastbesteigungen für Aufsehen gesorgt, bei denen sie die Schrau ben von Querverstrebungen lockerten und entfernten, so daß die Betreiber mit kostenaufwendigen Inspektionen die Strommasten überholen mußten. Während sich die Polizei tagsüber im Hintergrund hielt und selbst den für mittags anstehenden Schichtwechsel verstreichen ließ, griff sie gegen 16 Uhr - kurz vor dem offiziellen Ende der Blockade - überraschend ein. Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich die dem Atomkraftwerk angrenzende Ortschaft Bassenfleth in eine Polizeifestung. Über 700 Polizisten stürzten sich auf die hinter den Barrikaden sitzenden Blockierer/innen und zerrten diese zum Teil mit rüden Würgegriffen die Straßen entlang. Fortsetzung auf Seite 2 Mehrfach setzten sie auch Schlagstöcke ein. Mit schweren Räumgeräten wurden die Barrikaden beiseite geschoben. Die Polizei bahnte so 200 mit der Revision (Überholung, Brennelementewechsel) beschäftigen Leiharbeitern den Weg ins AKW. Im Verlauf einer fast zweistündigen Massendrängelei setzten die Beamten auch mehrfach Tränengas ein, wodurch zahlreiche Demonstranten verletzt wurden. Eine Person mußte in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Der Bremer Atomwissenschaftler Professor Jens Scheer bezichtigte auf einer Pressekonferenz die AKW–Betreiber einer gezielten Desinformation der Belegschaft. Über Jahre hinweg seien die Beschäftigten über das tatsächliche Risiko der Kraftwerksarbeit „durchweg belogen“ worden. Scheer bezieht sich in seinen Aussagen auch auf ein Gutachten des Marburger Professors Kuni, der im Auftrag des Umweltministeriums eine Studie über die Gefahren der Kraftwerksarbeit angefertigt hatte. Darin kommt Kuni zu dem Schluß, daß die zulässige jährliche Strahlenbelastung von derzeit 5.000 Milirem auf 30 (Frauen) bis 50 (Männer) Milirem gesenkt werden müsse. Scheer: „Dieses hieße quasi ein Todesurteil für die Atomindustrie.“ Nach Berechnungen Scheers bedeuten diese Werke, daß knapp zehn Prozent der Atomkraftwerksbeschäftigten, die länger als 15 Jahre in einem Werk arbeiteten, bereits den Keim des Krebses in ihrem Körper tragen. Die Atomkraftgegner wollen in den nächsten Wochen ihre Aktionen gegen den Stader Atommeiler fortsetzen, um eine Wiederinbetriebnahme nach der auf sechs Wochen angesetzten Inspektion zu verhindern. Am kommenden Samstag findet ein großer Kultur– und Malwettbewerb statt, eine Woche später wollen Eltern mit ihren Sprößlingen demonstrieren.

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