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Feinderklärung

■ Daten der Boykotteure gehen an Berlins Staatsschutz

Der Teufel steckt im Detail. Aber was jetzt in Berlin gegen die Volkszählungsboykotteure in Gang gesetzt wird, bestätigt schon ohne genauere Kenntnis der Einzelheiten alle Befürchtungen derer, die sich zum Boykott entschlossen haben. Wenn sie es tun, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit, für deren Verfolgung das Statistische Landesamt zuständig ist. Trotzdem laufen ihre Daten direkt an den polizeilichen Staatsschutz. Dabei gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1983, nach dem jede Verknüpfung der Volkszählung mit anderen als statistischen Zwecken verfassungswidrig ist, also bereits der sogenannte Melderegisterabgleich. Der war im alten Volkszählungsgesetz vorgesehen und sollte die Weitergabe von Daten an die Meldebehörde ermöglichen. Und nun sogar an den polizeilichen Staatsschutz? Hier weht der Geist von Carl Schmitt, der - offensichtlich nicht nur für die Nazis - das Politische auf den Begriff von Freund und Feind gebracht hat. Hier werden Gegner bekämpft und innerstaatliche Feinderklärungen vollzogen. Hier werden „Lagebilder“ angefertigt, wie es in der Erklärung des Berliner Innensenators wörtlich heißt. Sie wissen nicht, was sie tun. Sie denken nicht nach. Sie sind der Staat. Jeder Bürger ist ein Sicherheitsrisiko, und hinter jeder Ecke lauert eine Gefahr. Tschernobyl war nicht so schlimm. Das war ja nur ein Atomkraftwerk, das explodiert ist. Hier drohen Menschen außer Kontrolle zu geraten. Marsch, ab in das Register des polizeilichen Staatsschutzes! Mit unfreundlichen Grüßen, auch an das Bundesverfassungsgericht, von Wilhelm A. Kewenig, Innensenator von Berlin. Uwe Wesel (Verfassungsrechtler Uwe Wesel ist Professor an der FU Berlin)

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