: Ein Clown, der Kinder–Kunden ködert
■ Ausgerechnet der US–Buletten–Multi „McDonalds“ wirbt in über 300 Kindergärten der Republik mit einer „Umweltschutz–Show“ unter dem Motto: „Gib auf Deine Umwelt acht, damit das Leben Freude macht“
Aus Freiburg Thomas Scheuer
An der Umwelterziehung seines Sprößlings ist dem grünen Freiburger Europa–Abgeordneten Wilfried Telkämper normalerweise sehr gelegen. Am vergangenen Dienstag hatte der Knirps allerdings kindergartenfrei: Im Kindergarten hatte sich Clown „Ronald“ mit seiner „Umweltschutz–Show“ angesagt. Unter dem Motto „Gib auf Deine Umwelt acht, damit das Leben Freude macht“ wolle „die einfühlsame Darbietung“ mit dem „pädagogisch didaktischen Aufbau“, so das Ankündigungsschreiben, „den Kindern das Mit– und Füreinander in Bezug zur Umwelt, zur Tier– und Pflanzenwelt nahebringen und in ihnen das Gefühl für eine saubere Umgebung, für den Schmerz der gequälten Tiere und für die Schönheit der Natur wecken.“ Das klang gut. Doch die Sache hatte einen Haken: Nachfragen ergaben, daß es sich bei Ronalds „Umweltschutz–Tournee“ um ein PR–Unternehmen des Fast–Food– Imperiums McDonalds und bei dem Clown „Ronald“ um das deutsche Pendant des in den USA im Kampf um die Konsumenten des kommenden Jahrzehnts bereits seit langem erfolgreich eingesetzten Werbeträgers handelt. Wollte „Ronald“ etwa die kleinen Freiburger auf Free–Burger trimmen? Den Erzieherinnen hatte die Werbeagentur PRINT aus Unterhaching bei München, die die Kampagne organisiert, schriftlich versichert, bei der Clown–Show handele es sich um „keine Werbekampagne des Unternehmens, das heißt sie ist werbefrei“. Wenn dieser Clown die Kinder etwa Abfälle einsammeln läßt und diese mittels einer grünen (!) Mülltonne wegzaubert, hantiert er mit neutralem Material. Auch bei den Küchen–Zaubertricks - „Simsalabim, Trick hau hin!“ - geht es um Kuchen, Himbeereis und Spaghetti, keineswegs um Big Macs, Pommes oder Hamburger. „Ronalds“ Trikot allerdings ist gleich vierfach (drei Mal vorn, ein Mal groß hinten) mit dem Markenzeichen des Buletten– Multis, dem gelben „M“, bestickt, und auch die große Spieluhr, die jede Kindergartengruppe zum Abschied geschenkt bekommt, ziert der Namenszug „Ronald McDonald.“ Der Clown–Einsatz setzt wohl weniger auf kurzfristigen Werbeerfolg denn auf langfristige Identifikations– und Assoziationsmuster beim noch nicht kaufkräftigen Publikum. „In Zusammenarbeit mit erfahrenen Pädagogen wurde ein Programm erstellt, in dem die eingebauten Lernzielkontrollen durch ständige Wiederholungen erfolgen“, heißt es in dem Schreiben, mit dem PRINT den Kindergärten die Show andient. Also bezieht Ronald die Kinder mit ein, lockert das Programm mit Bewegungsübungen zum Austoben auf; die Kinder jubeln und toben, gehen begeistert mit. „Pädagogisch und künstlerisch eins A“, lautet die anerkennende Wertung der Kindergartenleitung hinterher, „der hatte die Kinder voll im Griff.“ Bei dem Herrn hinter der Maske handelt es sich denn auch um einen Branchen–Profi: Der 31jährige Münchner, der da im Wohnmobil zusammen mit seiner Frau, einer Psychologin, durch die Lande tingelt, ist selbst Erzieher und hat auch ein paar Semester Sozialpädagogik auf dem Buckel. Beide verdienen ihr Brot - wenn sie nicht gerade im Dienste Big Macs auf Achse sind - mit einem in München wohlbekannten Zaubertheater. Daß sie ausgerechnet im Namen eines jener Hackfleisch– Multis, deren Riesenbedarf an Billigfleisch aus Südamerika jährlich wachsende Schneisen in die dortigen Urwälder frißt, für den Umweltschutz zu Felde ziehen - diesem Vorwurf der Erzieherinnen weichen die beiden aus, verweisen auf die Erfolge und Dankesbriefe andernorts. So unfreundlich wie in Freiburg seien sie noch nirgends empfangen worden. Doch auch ein bißchen schlechtes Gewissen ist spürbar: Vom anspruchsvollen Kindertheater allein, so der Clown–Profi, kann man bei uns eben nicht leben, deshalb solche Aufträge. Auch die freundliche Dame der Agentur PRINT weist unlautere Verführungsabsichten energisch zurück: „Der Ronald fährt neutral durch die Gegend.“ Den Hinweis auf die unübersehbaren Trikot– Aufnäher kontert sie mit dem Verweis, es rege sich ja auch niemand darüber auf, daß zwecks Verkehrserziehung (Thema der letztjährigen „Ronald“–Tournee) auch uniformierte Polizisten in Kindergärten aufkreuzten. „Der Bekanntheitsgrad“ des Konzern– Clowns, so gibt sie zu, „wird natürlich erhöht.“ Man setzt auf den „Wiedererkennungswert“. Welche selbstlosen Motive bewegen einen Konzern zu solch einer Kampagne? Schließlich tobt der Konkurrenz–Kampf unter den Hamburger–Giganten McDonalds, Wendys, Hardees und Burger King immer härter. „Geschäfte lassen sich nur noch machen, indem man den anderen das Geschäft stiehlt“, bilanzierte kürzlich ein Branchen–Insider. Im Hause von „McDonalds System of Germany“, so erläutert die PRINT–Frau, finde derzeit eine Neubesinnung in punkto Verpackung statt; man tüftele an neuen, umweltfreundlicheren Verpackungen. In der Vergangenheit habe es da „Vorwürfe“ gegeben. „Da muß man umdenken.“ Und Clown Ronalds Umwelt–Tournee durch insgesamt mehr als 300 Kindergärten der Republik im laufenden Jahr sei „ein erster Schritt in diesem Programm“, sozusagen eine Vorfeldaktion. Daß die Kinder neben dem zukünftigen umweltgerechten Umgang mit Cola– Dosen und Fritten–Tellern auch gleich noch lernen, daß man Katzen nicht am Schwanz packt und nicht auf Käferchen treten soll, ist doch eine gute Sache. Damit „kann man nicht früh genug anfangen“. Die Tournee also nur eine pädagogische Zukunftsinvestition zur Sauberhaltung der Gehwege vor den McDonalds–Läden durch die zukünftigen Kunden? Die Schirmherrschaft über Ronalds Feldzug für eine saubere McDonalds–Zukunft hat das bayerische Umweltministerium übernommen. Als die PR–Kampagne geplant wurde, gab es in Bonn noch keines.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen