Allendes Vize stellt sich Pinochet

■ Clodomiro Almeyda, ehemaliger Außenminister Chiles, ist heimlich aus seinem Ostberliner Exil zurückgekehrt / Er wurde in den äußersten Süden Chiles verbannt

Santiago (afp/ips/taz) - Clodomiro Almeyda, Vizepräsident und Außenminister der 1973 gestürzten Volksfrontregierung Salvador Allendes, ist heimlich aus seinem Ostberliner Exil nach Chile zurückgekehrt und hat sich am Dienstag den Justizbehörden der Diktatur gestellt. Begleitet von zahlreichen Freunden erschien der 64jährige Oppositionspolitiker vor dem zuständigen Gericht in Santiago und nahm Stellung zu dem Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder, mit dem 1975 seine Ausweisung aus dem Land begründet worden war. Richter Haroldo Brito verfügte die Einstellung des Verfahrens - ein Beschluß, der von einem Berufungsgericht noch bestätigt werden muß - und ordnete zugleich an, daß Almeyda, der seit 1980 Führer des Mehrheitsflügels der Sozialistischen Partei Chiles ist, in den nächsten zwei Monaten das Land nicht verlassen darf, also, so folgerte jedenfalls der Anwalt des Oppositionspolitikers, auch nicht ausgewiesen werden kann. Doch bei Verlassen des Gerichts wurde Almeyda sofort von der Polizei festgenommen, in ein Untersuchungsgefängnis abtransportiert und noch am selben Tag in die Ortschaft Chile Chico im äußersten Süden des Landes verbannt. Justizminister Hugo Rosende begründete diese administrative Verbannung, die aufgrund der Ausnahmegesetzgebung keines gerichtlichen Urteils bedarf, damit, daß Almeyda illegal eingereist sei. Das Presseamt der Militärregierung teilte ferner mit, die Behörden würden ermitteln, ob der Oppositionspolitiker von „internationalen subversiven Aktivitäten zur Unterstützung terroristischer Bewegungen im Land“ Kenntnis gehabt habe oder daran beteiligt gewesen sei. Clodomiro Almeyda ist nach eigenen Angaben auf dem Landweg durch das Andengebirge nach Chile eingereist. Fortsetzung auf Seite 6 In einem Kommunique teilte er mit, alle Chilenen hätten das Recht, in Chile zu leben. Pinochet sieht es anders. Zwar hat er seit Jahresbeginn 2.022 Exilchilenen die Rückkehr erlaubt, 1.471 weiteren ist sie allerdings noch untersagt. Der Diktator hat angekündigt, daß bald bis auf einige wenige Linkspolitiker, die „eine Gefahr für die Staatssicherheit“ darstellen würden, alle Chilenen zurückkehren dürften. Daß Almeyda zu den wenigen Ausnahmen zählen würde, war jedermann klar. Immerhin hatte er das Attentat auf Pinochet im vergangenen September mit dem Satz kommentiert, daß daran nur zu bedauern sei, daß es fehlgeschlagen sei. Und vermutlich werden auch die Witwe und die beiden Töchter des 1973 von den Putschisten ermordeten Präsidenten Allende, die letzte Woche einen Antrag auf Erlaubnis zur Rückkehr gestellt haben, im Exil bleiben müssen. Daß Almeyda seinen Überraschungscoup gerade jetzt landete, ist keineswegs zufällig. In einer Woche kommt der Papst zu einem einwöchigen Besuch nach Chile. Und Regime wie Opposition versuchen, daraus politisches Kapital zu schlagen. Pinochet hofft auf eine internationale Aufwertung seines Regimes. Rechtzeitig hat er den Belagerungszustand aufgehohoben. Die Opposition kann im Vorfeld von Wojtylas Visite wieder unbehelligter auftreten und will anläßlich des hohen Besuchs der Weltöffentlichkeit das wahre Gesicht Chiles zeigen. Und sämtliche politische Gefangenen des Landes sind im Hunger– oder gar im Durststreik. Auch sie hoffen auf den Papst und den ihn begleitenden Medienrummel. thos