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Jugoslawiens Führung gibt sich hart

■ Nach den Streiks rätseln die Jugoslawen über die Worte ihres Ministerpräsidenten, die eigene Armee gegen oppositionelle Strömungen einzusetzen / Proteste der Arbeiter gegen Leistungslöhne weiten sich aus / Demonstrative Härte der Regierenden

Von Erich Rathfelder

Berlin (taz)– Warum hat er das nur getan, rätseln viele Jugoslawen nach den Äußerungen ihres Ministerpräsidenten und „starken“ Mannes Branko Mikulic, der im Vorfeld seines gestern begonnenen Bonn–Besuchs in einem Interview mit dem Spiegel mit dem Eingreifen der Armee bei sozialen Unruhen gedroht hatte. Ist es der Ausrutscher eines nach den Streiks der letzten Wochen ange schlagenen Stiers oder die kalkulierte Äußerung eines Politikers, der mit dieser Drohung versucht, das in eine Zerreißprobe geratene jugoslawische Regime mit aller Macht zusammenzuhalten? Die jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug gab die inkriminierten Stellen nur unvollständig wieder und löste damit Spekulationen aus, daß Mikulic einen Anstoß geben wollte, die seine eigene Regierung nicht mitzutragen bereit ist. Miklulic schließt eine Intervention der Armee nicht aus, falls sich die jugoslawischen Regimegegner organisieren sollten, „um das Verfassungssystem zu stürzen“. Er zeigt damit die Angst, in die die Repräsentanten nach den Streiks und nach den Unruhen in den letzten Monaten geraten sind, deutlich auf. Erst am 11. März startete die Partei der Kommunisten eine Kampagne in allen Zeitungsverlagen und Betrieben, um der entstehenden Bewegung für „Solidari tätsfonds“ entgegenzutreten und sie als die „Partei der Oppositionellen“ zu entlarven. Im Sommer letzten Jahres begannen die Vorbereitungen für diese Fonds, als der Journalist Dusan Bogavac wegen seiner von der offiziellen Linie abweichenden Meinung seinen Job verlor. Die moralische und materielle Unterstützung von Bürgern, „deren Existenz wegen ihrer kritischen Meinung bedroht ist“, forderten 225 Intellektuelle, von denen viele schon seit Jahren Kritiker des Regimes sind. Die Alarmglocken für die Partei klingelten allerdings erst zu Anfang dieses Jahres, als die „Gründungsväter“ einer breiteren Öffentlichkeit einen Satzungsentwurf zuschickten und zur Gründungsversammlung einluden. Man wolle „ gegen jedes Monopol in der Gesellschaft“ kämpfen, erklärten die Unterzeichner und forderten damit die Regierung heraus. Doch erst mit der Streikwelle, die nun schon einige Wochen anhält, ist das Regime in tiefgreifende Schwierigkeiten gestürzt. Der durch den teilweisen Lohnstopp vom 27. Februar - die Löhne sollen an die Entwicklung der Produktivität gebunden werden - ausgelöste Widerstand der Arbeiter hat von Zagreb ausgehend inzwischen das gesamte Land erfaßt. Erst am Mittwoch traten über 300 Bauarbeiter in Titograd in den Streik, als sie erfuhren, daß ihre Löhne rückwirkend auf das gesetzlich garantierte Minimum von 30.000 Dinar (rund 200 DM) gekürzt werden sollen. Die Arbeiter haben bereits seit drei Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Seit Anfang März werden offiziell über 188 Streiks mit mehr als 20.000 Beteiligten gezählt. Streikende sprechen dagegen von einer weit höheren Zahl. Dabei steht die Regierung wirtschaftspolitisch mit dem Rücken zur Wand: die galoppierende Inflation von 130 Prozent - die Miculic auf 100 Prozent in diesem Jahr gedrückt haben will - hat längst lateinamerikanische Ausmaße angenommen. In der Pro– Kopf–Verschuldung liegen die Jugoslawen in Europa noch vor den Polen, die Industrie ist in vielen Bereichen nicht mehr konkurrenzfähig und die Arbeitslosigkeit schwankt je nach Region zwischen 8 und 25 Prozent. Die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Radikalkur liegt auf der Hand, doch das Regime kann sich nicht entschließen, den Aufruf nach dem Enger– Schnallen der Gürtel mit einer Demokratisierung zu versüßen. Da der Widerstand nun auch auf die Gewerkschaften übergegriffen hat,– der kroatische Gewerkschaftsrat fand harsche Worte für das Gesetz und schlug als Kompromiß dessen „selektive“ Anwendung vor - und sogar im „Bund der Kommunisten Kroatiens“ die Rücknahme des Gesetzes verlangt wurde, sind die Äußerungen Miculics sehr wohl kalkuliert: der starke Mann der Regierung demonstriert Härte und hofft, mit dieser Einschüchterung wenigstens die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Denn der nächste schmerzliche Einschnitt steht für die jugoslawischen Unternehmen schon ins Haus: Am 1. Juli tritt ein Gesetz inkraft, das die Schließung bankrotter Firmen nach einer Schonfrist von 120 Tagen vorschreibt.

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