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I N T E R V I E W Kein Rückzug auf die Stammwählerschaft

■ Volker Hauff, SPD–Parteivorstandsmitglied und Stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, zur Brandt–Rede, zur Vogel–Wahl und zu Hessen

taz: Brandt hat die SPD anläßlich seines Abschieds scharf kritisiert und sie gewarnt, „reaktionären Versuchungen nachzugeben“. Sehen Sie diese Gefahr auch? Hauff: Ich weigere mich zunächst einmal, von einem Abschied zu reden, denn Brandt hat vor dem Parteivorstand auch gesagt, er gehe von der Brücke und nicht von Bord. Reaktionäre Erscheinungen innerhalb und außerhalb der Partei gab es in Zusammenhang mit der Berufung von Frau Mathiopoulos ohne Zweifel. Mir scheint, Brandt hat das grundsätzlicher gemeint. Er warnt vor einer Entwicklung, die ich auch sehe: daß die SPD als Partei sich auf ihre traditionelle Stammwählerschaft zurückzieht und im 30– Ghetto verharrt. Er hat recht, wenn er darauf hinweist, daß die SPD nur dann mehrheitsfähig sein wird, wenn sie - ohne sich das Rückgrat zu brechen, und das sind die Stammwähler - sich um neue Wähler kümmert. Die SPD muß der Platz sein, wo über die Zukunft dieser Gesellschaft diskutiert wird. Da mutet aber die Berufung von Vogel als Parteivorsitzenden und Fuchs als Bundesgeschäftsführerin etwas seltsam an. Die stehen ja nicht gerade für Aufbruchsstimmung und neue Fragestellungen. Bei Hans–Jochen Vogel würde ich das anders sehen, wenn man seine persönliche Entwicklung sieht, z.B. sein Verhalten bei den Häuserbesetzungen in Westberlin oder beim Umweltschutz. Er hat in vielen Bereichen eine geradezu unglaubliche Lernbereitschaft gezeigt. Aber die Alternative zu Vogel war Lafontaine, und der steht für eine Reform–SPD. Hans–Jochen Vogel und Oskar Lafontaine sind nicht in Konkurrenz zueinander angetreten, sondern haben sich beide verständigt, daß es richtiger ist, wenn Hans– Jochen Vogel den Parteivorsitz übernimmt. Insofern gabs keine Alternative. Hans–Jochen Vogel hat am Dienstag gesagt, die SPD habe mit ihren Personalentscheidungen die politische Initiative wieder übernommen. Ist das nicht eine sehr euphemistische Beschreibung der Situation? Es ist eine optimistische und es ist das gute Recht eines Sozialdemokraten, die Situation seiner Partei optimistisch zu sehen. Was signalisiert diese „Initiative“ für den Hessen–Wahlkampf? Die Erfolgschancen in Hessen sind jetzt eher positiv. Hauptsächlich weil die ganzen alten Bilder aus Brandts Lebensweg an die Öffentlichkeit kommen und das viele daran erinnert, für was die SPD steht, was für eine Aufbruchsstimmung das war... Aber auch, was für Enttäuschungen es gegeben hat. Stichwort: Mehr Demokratie wagen, Berufsverbote... Aber das Positive überwiegt. Die Ostpolitik, die breit in Gang gekommenen Inneren Reformen. Diese Erinnerungen werden dazu führen, daß viele zur SPD stehen. Mit Brandt ist jemand gegangen, der für eine Reformpolitik steht. Sein Nachfolger ist der integrative Vogel. Peter Glotz wird durch die den traditionellen SPD–Kräften entwachsene Frau Fuchs ersetzt. Ist das nicht eine Schwächung der Reformkräfte? Es ist in der Diskussion im Parteivorstand energisch bestritten worden, es gäbe den Versuch, hinter die Beschlüsse des Nürnberger Parteitags zurückzufallen. Das Interview führte Oliver Tolmein

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