: Vier Frauen in Chatila erschossen
■ Demonstration gegen die seit vier Monaten andauernde Belagerung durch Amal–Milizionäre / Kanadischer Arzt: Lebensmittel reichen noch für fünf Tage
Beirut (ap/taz) - Milizionäre der Schiitenbewegung Amal haben am Sonntag im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut auf etwa 250 Palästinenserinnen geschossen, die am Eingang des Flüchtlingslagers Chatila gegen die seit vier Monaten andauernde Belagerung demonstrierten. Nach Angaben der „Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas“ (DFLP) wurden dabei vier Frauen getötet. Wie die DFLP weiter be richtete, hätten die Frauen versucht, aus dem Lager auszubrechen und seien in der Nähe des Eingangs erschossen worden. Amal gab bekannt, sie habe auf palästinensische Kämpfer geschossen, die im Schutz der Frauendemonstration versucht hätten, einen Vorstoß zu unternehmen. In dem insgesamt seit fünf Monaten andauernden „Lagerkrieg“ stehen sich Palästinenser und schiitische Amal gegenüber. Der in Chatila eingeschlossene kanadische Arzt Chris Giannou hatte am Samstag gegenüber ap erklärt, es gäbe nur noch für vier bis fünf Tage Nahrungsmittel, die Menschen stünden kurz vor dem Hungertod. Er bat um internationale humanitäre Hilfe, um die „langsame Folter“ der 4.000 belagerten Palästinenser zu beenden. Man habe zwar von der UNO drei Lebensmittellieferungen erhalten, diese seien jedoch nicht ausreichend gewesen. Es herrsche Mangel an Mehl, Milch, Reis, Zucker, Brennstoff und Medikamenten. Die Flüchtlinge würden bereits ihre Unterkünfte verbrennen, um sich warm zu halten oder wenigstens etwas Brot backen zu können. Die Tagesration in Chatila besteht derzeit aus einem halben Fladenbrot. Im Feldkrankenhaus des Lagers wird bei Kerzenschein gearbeitet und, soweit es eben geht, ohne Narkose, um Medikamente zu sparen. Falls die Belagerung Chatilas noch länger anhalte, würden die Flüchtlinge auszubrechen versuchen, selbst wenn dies ihren Tod bedeute, warnte der Arzt. Die Einwohner Chatilas befürworteten eine Erweiterung des syrischen Sicherheitsplans auf die unmittelbare Nachbarschaft des Viertels, um einen Waffenstillstand und die Öffnung der Lager durchzusetzen. Die syrischen Truppen, die am 22. Februar in das vorwiegend moslemische Westbeirut eingerückt waren, haben bisher die Gegend um die beiden Palästinenserlager Chatila und Borj al Brajneh von ihrem „Sicherheitsplan“ ausgenommen. Auch die Amal–Miliz in diesem Gebiet wurde nicht entwaffnet. Seit dem 22. Februar wurden offiziellen Zählungen zufolge bei Beschuß der Lager 38 Palästinenser getötet und 127 weitere verwundet.
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