: Protest in Managua gegen Nestles Geschäfte
■ Der Schweizer Konzern weigert sich, Trockenmilch über staatlich kontrollierte Läden zu verkaufen / Statt dessen profitiert der Konzern vom Schwarzmarkt / Frischmilchaufkauf und unerschwingliche Schwarzpreise führen zu Mangelerscheinungen bei Kleinkindern
Aus Managua Ralf Leonhard
„Leitet die Milch in sichere Kanäle“, hieß die Forderung von etwa tausend Arbeitern und Kindern, die Dienstag nachmittag vor dem Sitz der Nestle–Niederlas sung „PROLACSA“ in Managua demonstrierten. Die sandinistische Gewerkschaftszentrale (CST) hatte diese Demonstration organisiert, da Nestle sich weigert, seine Gesamtproduktion über die staatlich kontrollierten Läden zu verteilen. Etwa 70 Prozent der Trockenmilch werden an private Detailhändler abgegeben und landen großteils auf dem Schwarzmarkt. Wie jedes knappe Gut wird auch die Nestle–Milch dort zu Preisen angeboten, die sich den Börsen des Normalverdieners entziehen. So kostet die Fünf–Pfund–Dose, deren offizieller Preis mit 2.000 Cordobas festgesetzt ist, 32.000 bis 35.000 Cordobas (rund 18 DM). Das entspricht etwa dem durchschnittlichen Monatsverdienst eines Arbeiters. Eine Gewerkschaftsdelegation, die zum Geschäftsführer Oskar Kloth vorgelassen wurde, konnte immerhin eine Zusage zu einem Gespräch mit Verantwortlichen des Binnenhandelsministeriums erreichen. „PROLACSA“ produziert monatlich an die 500 Tonnen Trockenmilch. Das ist etwas weniger als die Hälfte des Bedarfs der Kinder unter zwei Jahren. „Wegen dieses knappen Angebots ist staatliche Kontrolle besonders wichtig“, versicherte Ruben Ulloa, der stellvertretende Exekutivsekretär der CST. Die Niederlassung des Lebensmittelmultis aus der Schweiz steht in Nicaragua schon lange unter Beschuß. Der Produktionsbetrieb in Matagalpa, 130 Kilometer nördlich von Managua, kauft fast die gesamte Milchproduktion der Region auf und entzieht den Kindern von Matagalpa und Umgebung die Frischmilch. Die Trockenmilch wird von Matagalpa nach Managua gebracht und von dort über das ganze Land verteilt. Theoretisch dürfen auch die privaten Verteiler das Milchpulver nur gegen Vorweis der Impfkarte eines Kleinkindes abgeben. In der Praxis aber hat das Binnenhandelsministerium (MICOIN) jede Kontrolle über die Absatzwege verloren. Das begehrte Produkt ist woanders als auf dem Schwarzmarkt kaum mehr zu bekommen. Die Milchkrise hat bei Tausenden nicaraguanischen Kleinkindern bereits zu deutlichen Symptomen von Mangelernährung geführt.
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