: Widersprüche im Weimar–Prozeß
■ Der Vater der ermordeten Kinder Melanie und Karola Weimar berichtet über Gedächtnislücken / „Todesangst und ein unheimlicher Druck“ / Für die meisten Schaulustigen liegt die Schuld bei der Mutter
Aus Fulda Heide Platen
Am Mittwoch mittag zeichnete sich vor dem Fuldaer Landgericht zwar ab, wie die Ehe zwischen Reinhold Weimar und der angeklagten Krankenpflegehelferin Monika Weimar ausgesehen haben mag, nicht aber, wer am 4. August 1986 ihre beiden Töchter Melanie und Karola umgebracht hat. Die Kinder waren nach mehrtägiger Suche erstickt und erwürgt aufgefunden worden. Die Aussage des Vaters, der zeitweise selbst unter Tatverdacht stand, war von den Prozeßbeteiligten mit Spannung erwartet worden. Klarheit brachte sie nicht - eher widersprüchliche Äußerungen, die allerdings die Angeklagte Monika Weimar nicht so stark belasteten wie die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Aussagen. Deutlich wird auch, daß die Anklagte einen immer schwereren Stand hat. Die Indizienlage ist dürftig. Die Staatsanwaltschaft gerät in dem vom Vorsitzenden Richter Bormuth sorgfältig geführten Prozeß immer mehr auf den Prüfstand. Ginge es darum zu beweisen, wer von den beiden Eltern schuldig ist, spräche ebensoviel oder wenig auch gegen den Vater Reinhard Weimar. Er erinnert sich nicht, wo Erinnerung sein müßte, bietet für sein Schlafen und Wachen in der möglichen Tatnacht Uhrzeiten im Dutzend an. Davon, daß er - damals selbst Tatverdächtiger - fast ein Geständnis abgelegt hätte, will er heute nichts mehr wissen. Er sei von der Kriminalpolizei unter Druck gesetzt worden. Der 34jährige Reinhard Weimar zeichnete gestern vormittag außerdem das Bild einer Ehe, in der Gleichgültig und Aggression an der Tagesordnung waren. Miß handelt habe er seine Frau allerdings nicht, „nur geschubst, blaue Flecke mal, eigentlich ganz normal“. Zur Normalität gehörte auch, daß er seiner siebenjährigen Tochter Melanie einmal einen Zahn locker schlug. Dennoch habe er sich nicht scheiden lassen wollen, denn er habe nicht gewußt, „wo ich dann hin soll“. Um die Kinder habe er sich weniger gekümmert als seine Frau. Er habe mit sich selbst und seiner Krankheit genug zu tun gehabt. Daß er aber gut für die Familie gesorgt habe, betont der Betriebselektriker, der im Kali–Bergwerk Schicht arbeitete, immer wieder. Über die Kinder sagt er: „Wenn ich von der Nachtschicht kam und sie waren da und haben mich angelacht, das war ein gutes Gefühl.“ Die Besuche seiner Frau in einer Disco in Bad Hersfeld habe er nicht so ernst genommen. Selbst als Verwandte ihn darauf ansprachen, habe er das alles eigentlich „gar nicht so genau wissen wollen“, auch nicht, daß sie dort ihren amerikanischen Freund traf. Einerseits habe er sich gegen eine von ihr verlangte Scheidung gewehrt, andererseits aber auch versucht, eine andere Frau zu finden, um wenigstens die fünfjährige Karola behalten zu können. Laut Vernehmungsprotokoll soll er mehrmals im Streit gesagt haben: „Der Ami bekommt die Kinder nicht!“ Einmal habe er am Vormittag nach der Tat jemanden im Schlafzimmer gehört. Wer das gewesen sei, wisse er nicht mehr. Während seiner polizeilichen Vernehmungen hatte er behauptet, eine seiner beiden Töchter zu diesem Zeitpunkt noch lebend gesehen zu haben. Auch diesmal drängten sich wieder Schaulustige auf der Treppe vor dem Gericht. Die meisten von ihnen wollen wissen, daß nur Monika Weimar die Täterin sein kann.
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