: I N T E R V I E W WAA: „Zwei bis drei Jahre Bauverzögerung“
■ Der Münchener Bundestagsabgeordnete Michael Weiss (Grüne) zum Urteil des Verwaltungsgerichts in Sachen Wackersdorf / Illegaler Durchmarsch der Betreiberin
taz: Die bayerischen Landtagsgrünen haben in ihrer Stellungnahme zum WAA–Urteil von einem Erdrutsch–Sieg gesprochen. Wo ist der Erdrutsch? Michael Weiss: Zunächst ist vom Verwaltungsgericht die erste Teilerrichtungsgenehmigung klipp und klar aufgehoben worden. Wir stehen also beim Genehmigungsverfahren wieder dort, wo es 1983 angefangen hat. Es bedarf jetzt einer neuen Öffentlichkeitsbeteiligung, eines neuen Sicherheitsberichts, eines neuen Erörterungstermins usw., und das wird vermutlich eine Verzögerung von zwei bis drei Jahren für die Wiederaufbereitungsanlage bringen. Das Gericht hat aber gleichzeitig die Möglichkeit offfengelassen, daß das Brennelemente–Eingangslager, der Bauzaun und die Hauptwache ohne atomrechtliche Genehmigung gebaut werden können. Das wäre dann kein Sieg, sondern ein mittlerer Skandal. In dem Verwaltungsgerichtshof–Urteil wird ausgesagt, daß eine Gesamtgenehmigung für die Wiederaufbereitungsanlage nicht an den drei Punkten Eingangslager, Bauzaun und Hauptwache aufgehängt werden kann, solange nicht wesentliche Bestandteile der Wiederaufbereitungsanlage selbst Gegenstand der Genehmigung sind. Deswegen wurde die erste Teilgenehmigung aufgehoben. Das Gericht hat aber auch in einem Satz ausdrücklich gesagt, daß diese Entscheidung nicht bedeutet, daß das Brennelemente–Eingangslager jetzt ohne jede atomrechtliche Genehmigung gebaut werden kann. Die DWK versucht genau dies. Sie nützt mit einer beispiellosen Skrupellosigkeit die bloße baurechtliche Genehmigung aus und versucht weiterzubauen und Tatsachen zu schaffen. Dies wird aber durch das Urteil keinesfalls abgedeckt. Wir haben deshalb am Freitag einen Eilantrag bei Gericht vorgelegt, um hier einen Riegel vorzuschieben, weil die atomrechtlichen Grundlagen fehlen. Die DWK hat gleich nach dem Urteil süß gesäuselt, sie könne mit dem Richterspruch leben und es werde weder terminliche noch finanzielle Probleme gehen. Die Auswirkungen des Urteils seien gleich null. So stellen die sich das vor. Aber bisher ist noch völlig offen, ob die DWK das Eingangslager ohne atomrechtliche Genehmigung bauen darf, auch wenn sie das jetzt versucht. Die DWK will natürlich einfach weitermachen und setzt dabei auf die Unterstützung der bayerischen Landesregierung. Wie schätzt Du die weiteren jurtistischen Möglichkeiten ein? Zunächst gibt es bestimmt eine deutliche Zeitverzögerung. Was das Hauptprozeßgebäude der Wiederaufbereitungsanlage angeht, das muß jetzt alles nochmal durchgezogen werden mit neuen Unterlagen der DWK, und da wird neu geklagt werden müssen. Beim Brennelementelager muß man abwarten, ob es uns gelingt, den illegalen Durchmarsch der DWK zu stoppen. Seid Ihr mit dem Verwaltungsgericht–Urteil eigentlich rundum zufrieden? Das Gericht war natürlich bedacht, einen bequemen Ausweg zu finden. Es ist der eigentlichen Sachentscheidung über die Gefährlichkeit und Zumutbarkeit einer Wiederaufbereitungsanlage ausgewichen und hat ziemlich viele Punkte offengelassen. Das Interview führte Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen