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Staatsbesuch jenseits der Routine

■ Der israelische Staatspräsident Chaim Herzog kommt am Montag in die Bundesrepublik / Bundespräsident Richard von Weizsäcker beantwortete Fragen nach der Verteidigung seines Vaters in Nürnberg

Bonn (ap/dpa) - Als ein „ganz außergewöhnliches Ereignis in den Beziehungen zwischen beiden Ländern und Völkern“ hat Bundespräsident Richard von Weizsäcker den am Montag beginnen den fünftägigen Besuch des israelischen Staatspräsident Chaim Herzog in der Bundesrepublik gewürdigt. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Galinski, sprach von einem „historischen Ereignis“, der israelische Botschafter Jitzhak Ben– Ari nannte die Reisen Herzogs „ein Symbol der guten und vernünftigen Beziehungen“ zwischen beiden Staaten. Herzog hält sich zur Zeit in der Schweiz auf. Vor israelischen und deutschen Journalisten sagte Weizsäcker am Donnerstag abend, er sei dem Präsidenten und der Regierung Israels aufrichtig dankbar, daß diese Erwiderung seines Staatsbesuches vom Oktober 1985 möglich werde. In Erinnerung an die persönliche Aufnahme von Herzog während seines Staatsbesuches in Israel werde er den Gast auf jeder Station begleiten und von Bonn nach Bergen–Belsen, Worms und Berlin mitreisen. Er sei sich darüber im Klaren, wieviel es für Herzog und die Menschen in Israel bedeute, daß dieser Besuch zustande komme. Er sei möglich wegen der seit vielen Jahren engen Beziehungen auf der Grundlage übereinstimmender Demokratie. Dennoch dürfe man die Normalität der politischen Beziehungen nicht mit der Empfindung der israelischen Menschen gegenüber Deutschland gleichsetzen. Weizsäcker wurde von israelischen Korrespondenten auch auf seine Rolle als Hilfsverteidiger seines Vaters, Ernst von Weizsäcker, angesprochen, der sich bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1947 als Staatssekretär im Auswärtigen Amt Hitlers zu verantworten hatte. Weizsäcker sagte, er habe seinem Vater „aus voller Überzeugung zur Seite gestanden und würde es auch immer wieder tun“. Das Ziel seines Vaters sei es gewesen, den Ausbruch des Krieges zu verhindern. Dafür habe er das Amt übernommen. Besser als irgendein anderer habe er gewußt, daß er an seinem selbstgesetzten Ziel gescheitert sei. „Ich wünsche niemandem einer späteren Generation, vor Fragen wie diese gestellt zu werden“, sagte Weizsäcker, „und ich wünsche dem, der vor solchen Fragen steht, die Tiefe der moralischen Empfindung, in der er seine Entscheidungen getroffen hat“. Daß sein Vater einer sehr großen Zahl von Menschen persönlich entscheidend geholfen habe, habe er, Ernst von Weizsäcker, „niemals als einen Anschein dafür genommen, andere Dinge zu kaschieren“.

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