: 600 Verletzte bei Papst–Messe in Santiago
■ Schwere Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei / Der Papst las seine Rede im Tränengas weiter / Linke Gruppen distanzieren sich von Auseinandersetzungen / Johannes Paul II. traf Parteienvertreter / Heute reist der Papst nach Argentinien weiter
Santiago (afp/dpa) - Die Haltung und die „moralische Größe“ des Papstes, der „inmitten des Geschreis und einer irrsinnigen Gewalt“ die Messe gelesen habe, werde für die chilenische Bevölkerung eine der „bedeutendsten Lehren“ des Papstbesuchs in Chile bleiben. Dies war die Stellungnahme der chilenischen Bischofskonferenz, nachdem am Freitag anläßlich einer vom Papst in Santiago gelesenen Messe heftige Straßenschlachten ausgebrochen waren. Dabei wurden nach Angaben des Roten Kreuzes rund 600 Menschen verletzt. Während der in einem Park gelesenen „Versöhnungsmesse“ warfen junge Leute Steine auf die Polizei und zündeten Feuer an. Die Polizei warf Tränengasgranaten und setzte Wasserwerfer ein. Priestern gelang es nicht, die Menge zu beruhigen. Inmitten von Tränengasschwaden las Johannes Paul II. seine Messe weiter, in der er zum Verzicht auf gewalttätige Aktionen aufrief. Im Verlauf der Auseinandersetzungen kam es zu panikartigen Reaktionen unter den über 500.000 auf dem Platz versammelten Menschen. Eine chilenische Journalistin wurde von Schüssen in die Schulter getroffen. Der für die Koordinierung des Papstbesuchs zuständige Erzbischof Francisco Crox sagte am Samstag, was die Störer getan hätten, bedeute, „daß das chilenische Volk keinerlei Vertrauen in sie haben kann“. Auch die verbotene kommunistische Partei Chiles distanzierte sich von den Zwischenfällen, wollte aber eine Provokation nicht ausschließen. Die Untergrundorganisation „Bewegung der Revolutionären Linken“ (MIR) erklärte, ihr lägen Beweise dafür vor, daß es sich bei den Störern um Anhänger von Diktator Pinochet gehandelt habe. Nach der Messe am Freitag traf Johannes Paul II. Vertreter aller chilenischen Parteien einschließlich der Opposition und forderte sie zu Versöhnung und Gewaltverzicht auf. Die „Demokratische Volksbewegung“ bat den Papst, sich für die politischen Häftlinge einzusetzen. Über 350 Gefangene brachen am Freitag ihren teilweise seit 38 Tagen andauernden Hungerstreik ab. Fortsetzung auf Seite 6 Bei einem Besuch in der südchilenischen Stadt Rios Montt forderte der Papst die Chilenen auf, sich nicht der von der Befreiungstheologie inspirierten „Volkskirche“ anzuschließen. Heftig kritisierte er darüber hinaus den „Neo–Kolonialismus“, der den Völkern Lateinamerikas „die Empfängnis verhütung, die Sterilisierung und die Freigabe der Abtreibung“ aufzwingen wolle. Zum Kolonialismus der katholischen Missionare erklärte er dagegen, sie hätten „heroische Taten vollbracht“. Am Sonntag traf der Papst mit mehreren 100.000 Menschen in Concepcion zusammen. Während der Messe sprach Johannes Paul II. von „legitimen gewerkschaftlichen Forderungen“ der Arbeitnehmer. Der Erzbischof von Concepcion prangerte den „Staatsterrorismus“ und „Oppositionsterrorismus“ an, die Chile immer mehr eine „Kultur des Todes“ aufzwängen. Anschließend wollte er nach Temuco weiterreisen, um mit Angehörigen des Mapuche– Stammes zusammenzutreffen. Am Montag wird der Papst in Argentinien, der letzten Etappe seiner Lateinamerika–Reise, erwartet. Im Vorfeld dieses Besuchs kam es dort zu heftigen Protesten gegen die Papst–Reise.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen