CDU–Fraktion applaudiert Gegner der Volkszählung

■ Unter dem Beifall seiner Fraktion plädierte der CDU–Bundestagsabgeordnete Werner Broll gegen die Zählung / Volkszählung ist „eine sündige Sache“

Von Vera Gaserow

Bonn (taz) - Mit heftigem Beifall hat überraschend die CDU/ CSU–Fraktion im Bundestag einer Rede ihres Abgeordneten Werner Broll zugestimmt, in der dieser vehement gegen die drohende Volkszählung und den „pathologischen“ Hunger nach statistischen Daten plädiert hat. Unter Berufung auf Passagen aus dem Alten Testament erklärte Broll in seiner immer wieder vom Applaus der CDU/CSU unterbrochenen Rede: „Die Statistik ist eine üble Sache, eine Gott nicht wohlgefällige, eine sündige Sa che!“ Broll hatte sich als Vertreter der CDU/CSU im Bonner Innenausschuß in der nur wenig beachteten Debatte über das sogenannte Statistikbereinigungsgesetz zu Wort gemeldet. Als Berichterstatter des Innenausschusses kritisierte er in diesem Zusammenhang das „pathologische Bedürfnis“ der Politiker, „politische Entscheidungen mit statistischen Zahlen zu begründen“. Bei der Statistik seien die Geheimhaltungs– und Datenschutzvorschriften „schwer einzuhalten“: „Wo diese Angaben nachher landen, kann man doch nicht prüfen.“ Aus seiner unmit telbaren Erfahrung - Broll ist Oberstudienrat - hielt er dem Bundestag vor: „Welcher Unfug ist im schulischen, im wirtschaftlichen und im politischen Bereich mit diesen Statistiken angerichtet worden!“ Mit Heiterkeit und Beifall quittierten Politiker von CDU und CSU auch den selbstkritischen Schlußsatz ihres Fraktionskollegen: „Wer von uns wäre noch Politiker, wenn wir die Zeche für den Unfug, den wir anrichten, selbst bezahlen müßten?“ Von seiten des Bundesinnenministeriums und des Statistischen Bundesamtes war gestern noch keine Stellungnahme zu den Äußerungen des CDU–Politikers und dem Verhalten seiner Unionskollegen zu erhalten. Dokumentation auf Seite 5 Der Wortlaut der Rede ist nachzulesen in dem Stenographischen Bericht des Deutschen Bundestages Nr.8/189 vom 29. November 1979. Broll ist im Februar als Abgeordneter aus dem Bundestag ausgeschieden, nachdem er, sechs Jahre nach seinem Plädoyer gegen die Volkszählung 81, im Innenausschuß zu einem der vehementesten Verfechter der Volkszählung 87 geworden war.