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P O R T R A I T Identität von Leben und Anspruch

■ Der russische Dichter Lew Kopelew feiert in seinem deutschen Exil seinen 75. Geburtstag / Ein Warner vor dem Verlust der Tradition / Seine Rückkehr in die Sowjetunion als Gast ist nach Gorbatschows Reformkurs möglich

Von Helmut Höge

Der hochgewachsene Mann mit dem mächtigen silbergrauen Bart - tickert dpa in einem „Portrait“ zu Kopelews 75. Geburtstag, der heute zu feiern ist. Und in der Tat ist der ehemalige Major der Roten Armee eine impo sante Erscheinung. Er verkörpert auf das Sympathischste, was man hier im Westen höchstens noch beschwören mag: Die Identität von Leben und Anspruch. Auf einer Tagung (bei Harry Pross im Allgäu) sprach Kopelew über „die alten georgischen Gastmähler“ - den drohenden Verlust der Traditionen. Seine Frau Raissa über ihre „Moskauer Küche“ - wo man nächtelang zusammensaß und über den Sinn der Welt diskutierte. Beide möchten wieder zurück in ihre russische Heimat. 1981 wurde Lew Kopelew ausgebürgert - wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Gefangenen und nach Sibirien Verbannten. Man beschimpfte ihn als „Judas in der Rolle des Don Quichotte“. Jetzt - mit Gorbatschows Reformkurs, den Kopelew unterstützt - sind die Chancen für eine Rückkehr nach Rußland gestiegen, aber mittlerweile hat er in Wuppertal eine Professur für deutsch– russische Kulturbeziehungen übernommen. Vor kurzem erschien sein Buch „Russen und Rußland aus deutscher Sicht - 8. bis 17. Jahrhundert“, ein zweiter Band wird in diesem Jahr folgen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs - als Major der Roten Armee - äußerte Kopelew Kritik an der russischen Kriegsführung. Wegen „bürgerlich–humanistischer Propaganda des Mitleids mit dem Feind“ wurde er dafür zehn Jahre ins Lager gesteckt. Sein Tagebuch aus dieser Zeit, „Aufbewahren für alle Zeit“, wurde 1976 im Westen veröffentlicht. Kopelew schildert darin, wie er als Häftling überlebte - gerade weil er seinen Glauben an den Kommunismus behielt: „Diejenigen unter den Gefangenen, die nur an ihr eigenes Überleben dachten, schafften es nicht“. 1979 veröffentlichte Kopelew seine Erinnerungen an die Jugendzeit „Und schuf mir einen Götzen“. 1981 folgte der dritte Teil seiner Autobiographie „Tröste meine Trauer“. Kopelew schildert darin u.a. einen Hauptmann der Roten Armee, der im Lager seinen Glauben an den Kommunismus verloren hat und stattdessen das Heil im Christlich–Religiösen sucht: Alexander Solschenizyn. Dieser hat in seinem Roman „Im ersten Kreis der Hölle“ auch Lew Kopelew portraitiert - als einen, der starrsinnig an der Utopie der klassenlosen Gesellschaft festhält und dem die stalinistischen Säuberungen und Massaker nur Fehler in der Politik der kommunistischen Partei sind. Als ich Kopelew das letzte Mal sah, trug er eine Plakette der polnischen Gewerkschaft „Solidarnosc“ am Revers. In diesem Jahr erscheint das zusammen mit seiner Frau Raissa verfaßte Buch „Wir lebten in Moskau“. Im Moment stehen die Chancen gut, daß das Ehepaar Kopelew über kurz oder lang seine Heimatstadt wiedersieht - wenigstens als Besucher.

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