: Niedersachsen kürzt und streicht
■ Landesregierung beschließt rigorose Kürzung des Haushalts / In den nächsten zwei Jahren sollen zwei Prozent der Arbeitsplätze eingespart werden / Weihnachts– und Winterhilfe müssen Kommunen übernehmen
Aus Hannover Jürgen Voges
Einen Einstellungsstopp für den gesamten Landesdienst und rigorose Kürzungen in vielen Bereichen des Haushalts hat das niedersächsische Landeskabinett beschlossen. Wie Ministerpräsident Ernst Albrecht gestern vor der Presse erläuterte, will Niedersachsen in den nächsten Jahren mindestens zwei Prozent aller Arbeitsplätze im Landesdienst abbauen. Insgesamt wolle die Landesregierung im Haushaltsjahr 1988 bis zu 670 Millionen DM ein sparen. Das Landeskabinett übernahm damit die Streichungen, auf die sich die Landtagsfraktionen von CDU und FDP bereits Anfang der vergangenen Woche geeinigt hatten, beschloß aber bei der Wohnungsbauförderung, im Hochwasserschutz und „vielen anderen kleinen Bereichen“ noch zusätzliche Kürzungen. Bereits ab Juni 87 sollen bei Landesbehörden und an niedersächsischen Schulen freiwerdende Stellen ein Jahr lang nicht wieder besetzt werden. Ab sofort gilt diese Wiederbestzungssperre für jede zweite Stelle, nach Auslaufen des generellen Einstellungsstopps, sollen voraussichtlich zwei von drei freiwerdenden Stellen entfallen. Die Kürzungen beim Personal des Landes sollen bereits 1988 eine „Einsparung“ von etwa 220 Millionen DM erbringen. Von den übrigen Streichungen in Höhe von 450 Millionen sind vor allem die Ressorts Soziales, Wissenschaft und Wirtschaft, kaum aber das Innenministerium betroffen. So will die Landesregierung ab 1988 die Ausbildungsförderung für Schüler, das sogenannte Nafög, auslaufen lassen. Schüler, die dann in die Sekundarstufe zwei kommen, werden nicht mehr in die Förderung aufgenommen, die Niedersachsen einst als Ersatz für das gestrichene Schüler–Bafög eingeführt hatte. Von Studenten, die die Bafög–Höchstförderungsdauer um mehr als drei Semester überschreiten, wird das Land ab 1988 Studiengebühren in Höhe von 500 DM pro Semester kassieren. Die gleiche Regelung, die zehn Millionen pro Jahr einbringen soll, gilt auch für sogenannte „Seniorenstudenten“. Im Sozialetat will die Regierung Albrecht die Weihnachts– und die Winterbeihilfe für Sozialhilfeempfänger streichen. Die Kosten für diese Leistungen sollen in Zukunft die Kommunen tragen. Auch für Maßnahmen der stationären Hilfe für Nichtseßhafte soll ab 1988 keine Gelder des Landes mehr zur Verfügung stellen. Als Gründe für die Finanzkrise des Landes nannte Ministerpräsident Albrecht gestern die durch den Rückgang der Öl– und Gaspreise gesunkenen Einnahmen aus dem Förderzins. Zudem muß diese Abgabe auf die Förderung von Öl und Gas, durch die als einziges Bundesland Niedersachsen wesentliche Einnahmen erzielt, aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts demnächst in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden. Zusätzliche Einnahmeausfälle hat Niedersachsen aber auch durch die in den Bonner Koalitionsverhandlungen beschlossene Steuerreform erlitten. Albrecht bekräftigte gestern, daß er dem Vorziehen der Steuerreform von 1990 auf das Jahr 1988 nur unter der Bedingung zugestimmt habe, daß es eine Kompensation für die Einnahmeausfälle gebe.
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