Kein Himmel hilft in Italiens Regierungskrise

■ Die wundersame Vermehrung der Krisen–“Lösungen“ / Polizeiminister als Regierungschef, Linkskoalition oder Neuwahlen? / Die Kommunisten schlagen Koalition ohne die Christdemokraten vor

Aus Rom Werner Raith

Wenn Oscar Luigi Scalfaro, 70, Jurist und Innenminister, seinen Mund auftut, ist einer immer dabei: „Er“, „Gott dort oben“, mitunter auch vereinfacht „der Himmel“. Derzeit erlebt die Berufung „jener allerhöchsten Autorität“ geradezu eine Inflation: Scalfaro hat den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erhalten. Da mag die himmlische Hilfe wirklich vonnöten sein; weniger, weil es große neue Probleme zu lösen gilt: Die Schwierigkeit liegt darin, daß die Steine in Scalfaros Weg nicht von bösen Kommunistenteufeln oder gottlosen Anarchisten stammen, sondern von anderen gottverbundenen Kollegen - Scalfaros christdemokratischem Parteichef Ciriaco de Mita insbesondere. Der nämlich hat sich in eine derartige persönliche Feindschaft mit seinem bisherigen sozialistischen Koalitionspartner und Regierungschef Bettino Craxi hineingesteigert, daß ihn nichts wieder an den Verhandlungstisch zu bringen vermag - er will, koste es, was es wolle, Neuwahlen. Nur: Die Schuld dafür sollen andere tragen - die Sozialisten, die Republikaner, seinethalben auch die Kommunisten, oder, wenn niemand von denen will, einer aus der eigenen Partei; den amtierenden Außenminister Andreotti hat er schon auflaufen lassen, Scalfaro soll dem wohl folgen - so lange, bis der zögerliche Staatspräsident Neuwahlen ausschreibt. Für rationalitätsgewohnte Ausländer nicht leicht zu verstehen, daß hier nicht die hinter den Par teien stehenden „Kräfte“ eingreifen, die beiden Streithähne kräftig beuteln und die zumindest wirtschaftlich erfolgreiche Fünferkoalition energisch wiederbeleben - erklärlich nur mit dem schönen Ausspruch von FIAT–Chef Agnelli vorige Woche: „Dieses Land ist unregierbar. Aber das macht nichts. Es läuft auch so alles ganz gut.“ So können De Mita und Craxi die Regierungsbildung bequem an einer einzigen Frage scheitern lassen - die Durchführung der für Juni ausgeschriebenen Volksabstimmungen über die Atomkraft. Dabei hat Craxi das Nein der Christdemokraten zum Ausstieg erfolgreich als bürgerrechtsfeindlichen Anschlag plakatiert. Doch jetzt ging da eine Zeitbombe hoch, mit der wohl kaum jemand gerechnet hatte: Vor drei Wochen war die mit einem „Sondierungsauftrag“ ausgeschickte kommunistische Parlamentspräsidentin Nilde Iotti mit dem Ergebnis, „schwierig, aber nicht unmöglich“, zurückgekehrt, das eigentlich niemand so recht beachtet hatte. Nun aber erinnern sich alle an die „Mehrheit diesseits der DC“ - und schon prasseln Vorschläge zu einer „Lösung“ der Krise geradeso auf die Politiker hernieder: Die Sozialisten kündigten für Mitte der Woche einen Plan zur Sanierung des „governo“ an; die Kommunisten, diesmal ausnahmsweise schneller (das PCI–Satireblatt Tango behauptet allerdings, das habe nichts mit Geschwindigkeit zu tun - dem ZK sei jetzt erst aufgegangen, daß die Regierung vor sechs Wochen gestürtzt wurde), haben nach tage langem Rechnen herausgefunden, daß man „doch mal eine Regierung ohne die DC“ versuchen könne; die Linksunabhängigen fordern ein Kabinett, „geführt von einer Persönlichkeit außerhalb der etablierten Parteien“, die Demoproletarier und die Radikalen möchten eine „Garantieregierung“, die vor allem die Durchführung der Volksentscheide gewährleisten soll: Vorstellungen, die nicht allzuweit auseinanderliegen. Oscar Luigi Scalfaro wurstelt inzwischen weiter. Eines nämlich hat ihm De Mita fest versprochen: Nach der Parlamentsauflösung soll der wolkige Innenminister das Kabinett bis zu den Wahlen führen. Daß es dazu kommt, zieht inzwischen jedoch auch Scalfaro selbst in Zweifel. „Es steht in den Sternen“, sagt er. Offenbar hält ers jetzt lieber mit dem Horoskop als mit dem „Allerhöchsten“.