: Daimler: Der gute Stern der Nazis
■ Eine gestern vorgestellte Untersuchung belegt die Komplizenschaft zwischen Konzern und Faschismus
Daimler–Benz, ein Autokonzern, der sich widerstrebend mit den Nazis arrangieren mußte, um überhaupt seine Produktion aufrechterhalten zu können - so möchten die Apologeten des Konzerns die Zeit zwischen 1933–1945 gerne gewürdigt wissen. Daß Daimler tatsächlich zu den wichtigsten Förderern der deutschen Faschisten gehörte und just in dieser Phase riesige Gewinne auf Kosten der eingesetzten Zwangsarbeiter einstreichen konnte, weist nun eine Untersuchung der „Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte es 20. Jahrhunderts“ nach, die gestern der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Gestern mittag hätte es spannend werden können in Bonn: Der WDR hatte Professor Hans Pohl, der im Auftrag von Daimler Benz die Geschichte des Konzerns in den Jahren 1933–45 geschrieben hat, und Karl–Heinz Roth, der die Genese des Rüstungskonzerns von seiner Entstehung bis 1945 erforschte, zum Streitgespräch geladen. Die Kontroverse zwischen dem unternehmensloyalen Historiker und Roth, der sich zu belegen bemüht, daß die Deutsche Bank und dessen „Industriefiliale“ Daimler Benz die politische Konstellation des „Dritten Reichs“ strategisch vorausgeplant hatten, kam nicht zustande: Pohl kniff. So blieb Roths Analyse während einer Pressekonferenz in Bonn, keinen Kilometer entfernt vom Bundestagsplenarsaal abgehalten, wo eine auch nur halbwegs akzeptable Entschädigungsregelung verhindert wurde, unwidersprochen. „Der gute Stern auf allen Wegen“ - nach der Lektüre des Daimler–Benz–Buches der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, an dem neben Roth auch Mitglieder der oppositionellen Gewerkschaftsgruppe „plakat“ und Friedensforscher mitgearbeitet haben, entfaltet der Werbeslogan erst seine wirklich bittere Bedeutung. Denn die Wege deutscher Politik haben immer in den Krieg geführt - und der Daimler–Benz– Konzern (bzw. seine Vorläufer Daimler und Benz & Cie.) war nicht nur dabei, er hat die Rüstungskonjunktur langfristig vorangetrieben und vom Ersten und Zweiten Weltkrieg profitiert wie kaum ein zweiter. Daimler Benz, das belegt Karl Heinz Roth in seiner bis 1945 reichenden Unternehmensgeschichte, war „der gute Stern des Dritten Reichs“. In der Weimarer Republik hat der von der Deutschen Bank völlig kontrollierte Konzern darauf verzichtet, sich an die internationale Entwicklung im zivilen PKW–Bau anzukoppeln. Die langfristige strategische Entscheidung des Aufsichtsrates in den 20er Jahren fiel zugunsten einer Weiterentwicklung des im Ersten Weltkriegs massiv ausgebauten Rüstungssektors: Großmotoren– und Nutzfahrzeugproduktion blieben der Kern des Unternehmens auch in einer Zeit, die einen militärischen Motorisierungsschub nicht erwarten ließ. Bemerkenswert sind auch die von Roth zusammengetragenen Belege für die Ambitionen der Konzernspitze, eine I.G. Auto zusammenzubringen, um mit deren geballter Finanzkraft und technolo gischer Macht die „Deutscherhaltung“ der Kraftfahrzeugindustrie zu sichern. Wie eng der seit 1931/32 massiv durch Spenden und Zusammenarbeit auf allen Ebenen geförderte Nazismus und der Daimler–Benz–Konzern miteinander verflochten waren, schlüsselt Roth minutiös auf: Allein die Tatsache, daß der Vorstand sich 1933 bemühte, den Konzern korporativ in die NSDAP aufnehmen zu lassen, zeigt, wie wenig haltbar die These von Henry A. Turner ist, daß sich „Daimler Benz in auffälliger Weise von jeder politischen Aktivität ...fern (hielt)“. Roth deckt aber nicht nur die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Konzern und Partei auf, er unterzieht auch die ökonomischen Daten und die innerbetriebliche Arbeitsorganisation der Daimler–Benz–AG einer detaillierten Bewertung. Er beschäftigt sich mit der Situation und den Widerstandsversuchen der Arbeiterinnen und Arbeiter, die trotz eines ausgeklügelten Repressionsapparats zu den engagiertesten in der Kraftfahrzeugindustrie gezählt haben: Sowohl in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als auch in den ersten Jahren des Faschismus. Daimler Benz heute, darauf weisen Peter Barth und Thomas Gutmann in ihrem Beitrag hin, ist, nach der Übernahme des Hochtechnologie– und Rüstungsunternehmens MTU, der Dornier und der AEG wieder das zweitgrößte bundesdeutsche Rüstungsunternehmen. Konnte Daimler Benz, der angeblich naziferne Konzern, 1934 in Inseraten damit werben, „die Ehrenpreise des Führers, des Reichswehrministers und des Reichsführers SS“ erhalten zu haben, beschwor der Konzern in den 60er Jahren in seinen Inseraten: „Auch die Truppe kann sich auf Mercedes verlassen.“ Aber eben nicht nur auf Mercedes: Denn sowohl die Dornier als auch die AEG sind an den SDI–Projekten der US– Regierung beteiligt. Der Kreis hat sich noch nicht geschlossen - aber der „gute Stern über Stuttgart“ leuchtet wieder für einen irgendwann zu erringenden Sieg: In Chile, El Salvador, Irak, Iran, Peru und vor allem in Südafrika rollen, nach den Recherchen der Daimler–Benz–Buchautoren, heute wieder Fahrzeuge aus dem schwäbischen Rüstungskonzern in den Krieg bzw. Bürgerkrieg. Ausführlich kommen in dem Buch auch Arbeiter aus den heutigen Daimler–Benz–Werken zu Wort. Die Entwicklung der oppositionellen Betriebsarbeit bis hin zur Gründung der „plakat“– Gruppe und die Auseinandersetzungen um die Artbeitsorganisation, aber auch um das Produkt „Auto“ werden ausführlich beschrieben: im Kontrast zu den wissenschaftlichen Forschungen diesmal als autobiografische Erzählungen von Arbeitern aus dem Betrieb. Einer der eindrücklichsten Texte allerdings ist wohl das Gespräch, das heutige Daimler– Benz–Beschäftigte mit einem ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiter, der auch nach dem Krieg beim Konzern blieb, geführt haben: „Wir waren ja niemand.“ Oliver Tolmein
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