Ein Freispruch für Klöckner–Chef J.A. Henle

■ Duisburger Gericht hält Industriellen für „gutgläubig“ / Beweiswürdigung war ganz im Sinne des Klöckner–Chefs / Selbst dessen Vater soll nichts gewußt haben / Staatsanwaltschaft kündigt Berufung an / Ohrfeige für Finanzbehörden: „Oberflächlich und sorglos“

Von Jakob Sonnenschein

Duisburg (taz) - Freispruch! Die Gesichtszüge des Angeklagten entspannen sich. Triumphierende Blicke in Richtung Anklage, Händeschütteln mit der Verteidigung. Jörg A. Henle hat gewonnen. Die „ehrverletzenden Vorwürfe“ sind vom Tisch - in öffentlicher Verhandlung, wie es sich der Herrscher über das Klöckner–Imperium gewünscht hat. Immer wieder nickt der Freigesprochene während der einstündigen Urteilsverkündung zustimmend. Man spürt es förmlich, wie wohl ihm die Richterworte tun. Sanfte Worte findet das Gericht in der Tat. „Im Zweifel für den Angeklagten“, an diesen Rechtssatz hält sich der Kammervorsitzende Hans Georg Eckart mit einer Konsequenz, auf die viele Angeklagte vor deutschen Gerichten immer wieder vergeblich hoffen. Wo sonst die allgemeine Lebenserfahrung, die Plausibilität und der gesunde Menschenverstand gegen Angeklagte bemüht werden, reicht hier der kleinste Zweifel, um auch den den letzten Anklagepunkt zu zerschmettern. J.A. Henle hat an die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ (SV) und an diverse FDP–Geldwasch anlagen insgesamt 2,6 Mio. DM gespendet. Weil das Geld nicht für satzungsgemäße gemeinnützige Zwecke verwendet wurde - wie gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht -, sondern über das Ausland auf die Konten der CDU und der FDP floß, wurde der Fiskus etwa um 1,3 Mio. DM geprellt. Aus beschlagnahmten Unterlagen der FDP geht hervor, daß etwa Spenden an die „Internationale wirtschaftspolitische Vereinigung“ in der FDP–Rechnungslegung als „Zuwendungen des Hauses Klöckner“ verbucht wurden. Diesen illegalen Spendenfluß hält das Duisburger Gericht für erwiesen. Entgegen der Staatsanwaltschaft, die für J.A. Henle, der sein Jahresnettoeinkommen mit 650.000 DM beziffert, 500.000 Strafe gefordert hatte, glaubte das Gericht den Einlassungen des Freigesprochenen, er habe mit den Spenden politische Grundsatzarbeit unterstützen wollen. Diese Erklärung ist für Richter Eckart „nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen“. J.A. Henle habe die Spendenpraxis von seinem Vater übernommen und auch nach dessen Tode im Jahr 1979 fortgeführt. Ein „wesentliches Indiz“ für die Kenntnis des Sohnes wäre nach Auffassung des Gerichtes das Wissen des Vaters von der illegalen Spendenpraxis gewesen. Doch wußte der Vater Bescheid? Die Staatsanwaltschaft hatte daran überhaupt keinen Zweifel, doch die Kammer mochte dieser Einschätzung „nicht folgen“. Die Staatsbürgerliche Vereinigung wurde 1952 von der deutschen Industrie eigens zum Zwecke der Finanzierung der bürgerlichen Parteien gegründet. Als 1958 das Bundesverfassungsgericht die Steuerbegünstigung von Parteispenden strich, löste die SV sich nicht etwa auf, sondern änderte nur ihre Satzung. „Weder mittelbar, noch unmittelbar“, so hieß es nun, sei das Geld für die Parteien bestimmt. Die Finanzbehörden gaben brav den Gemeinnützigkeitsstempel. Zwar habe die SV jahrelang das zuständige Finanzamt getäuscht, befand das Gericht, aber die Finanzbehörden hätten „äußerst oberflächlich und sorglos“ ihre Aufsichtspflichten wahrgenommen. An der Praxis der SV änderte sich nichts, nur die Verschiebung des Geldes gestaltete sich etwas komplizierter. Fritz Berg, langjähriger Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), stand über lange Jahre hinweg der SV vor. Die Geschäfte führte der inzwischen verstorbene Prof. Stein, ehemals Hauptgeschäftsführer des BDI. Beide Personen waren enge Bekannte - auch privat - von Dr. Günter Henle, dem Vater des Freigesprochenen. Der BDI und die SV, die insgesamt 227,5 Mio. DM einsammelte, agierten „nahezu identisch“. Das sagte vor Gericht der Generalbevollmächtigte des CDU–Schatzmeisters, Dr. Uwe Lüthje. Im BDI war Dr. Henle eine wichtige Figur. Bis 1952 selbst CDU–Bundestagsabgeordneter, gehörte er immer zu den Vertrauten von Konrad Adenauer. Dieser Mann soll nicht gewußt haben, wofür die SV bestimmt war? „Mit Sicherheit“, so der Zeuge Lüthje, habe die Großindustrie die Weiterleitung der Spenden an die CDU gekannt. Nur Dr. Henle nicht? Der gehörte zu dem exquisiten Kreis 125 bundesdeutschen Kapitalisten, die sich zur Zahlung einer jährlichen Spende an die SV verpflichtet hatten. Klöckner war mit 250.000 und später dann mit 400.000 DM per anno dabei. Das alles wurde im Gerichtssaal erörtert und belegt. J.A. Henle hat seit 1971 die Spenden des Hauses Klöckner als persönlich haftender Gesellschafter angewiesen - im Auftrage des Vaters, wie er sagt, und später in dessen Geist. Auf den Überweisungsaufträgen fanden sich Vermerke wie „Verwendung gemäß Vereinbarung“. Damit, so J.A. Henle, sei die Aufteilung für CDU– und FDP–nahe gemeinnützige Vereinigungen, nicht jedoch die Verteilung an die Parteien selbst gemeint gewesen. So hielt sich das Gericht an den Angeklagten und befand dessen Aussage „nicht pauschal unglaubwürdig“. Ein Indiz dafür, „daß seine Situation eine andere gewesen sein mag“ als bei den „übrigen Großindustriellen“, sah Richter Eckart im Prozeß selbst. Während die „übergroße Zahl der Industriellen Strafbefehle akzeptiert hat“, habe sich J.A. Henle der Öffentlichkeit ausgesetzt, um seine Unschuld zu beweisen. Ein weiterer Pluspunkt, der zum Freispruch beitrug. Die Staatsanwaltschaft hat Revision angekündigt. Insgesamt hat die Bonner STA 1854 Verfahren im Zusammenhang mit Parteispenden eingeleitet. Davon wurden 1.140 wegen Geringfügigkeit oder mangelndem Tatverdacht eingestellt.