: Q U E R S P A L T E Marlenes Disziplin
■ Versuche, Marlene Dietrich heim ins Reich zu holen
Maximilian Schell durfte ihr noch mit Kamera und Tonband nahekommen. Den Chefredakteur von Springers Welt, Manfred Schell, hingegen hielt Sie 1987 auf Distanz. Schriftlich gab Sie jetzt auf schriftliche Fragen ihre Antworten, obwohl sie Springers Flaggschiff doch zu den Zeitungen zählt, „denen man trauen kann“. Sie, das ist Marlene Dietrich, Deutschlands mythische Großmutter, die sich uns nach Jahren tiefen Schweigens endlich wieder präsentiert. Nicht, ohne uns ein aktuelles Foto ihrer Vergänglichkeit zu ersparen. Dabei verkörperte sie einst für den Chronisten den jeweils neuesten Stand der kosmetischen Chirurgie. Das war 1960, als die gleiche Welt anläßlich ihres Besuches im jungen K2r–Wirtschaftswunderland fragte: „Sollte man sie wirklich mit Tomaten und faulen Eiern empfangen..., werden wir einen neuen Beweis liefern, daß wir nichts gelernt haben aus unseren Fehlern?“ Hatte man nicht. Denn Tomaten und Eier flogen, Unrat ergoß sich über die „Ami– Hure“ und „Landesverräterin“. Die Welt wußte es damals besser: „Die Mehrheit der Deutschen freut sich auf das Wiedersehen.“ Die Freude allerdings galt heute wie damals nicht der lasziven und (von Sternberg) so kunstvoll inszenierten Anarchie der Grande Dame des Films, sondern ihres begradigten und „disziplinierten“ Charakters. Sie darf Rilke lesen, aber wenn sie politische Freunde hat, dann müssen es Ronald Reagan und Willy Brandt sein. Ein Film mit Fassbinder? „Der hätte sich erst einmal waschen müssen.“ Wasser auf der Welt Mühlen. Schade, Marlene ohne Mythos ist wie der Blaue Engel ohne Strumpfband. Bleibt als Trost ein Wort Jean Pauls, das sie für uns bereit hält, den Kummer zu ertragen: „Die Erinnerung ist das Paradies, aus dem man uns nicht vertreiben kann.“ Benedict M.Mülder
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