: Ost meets West
■ Mit Hochglanz wirbt die „Hauptstadt der DDR“ in der „selbständigen politischen Einheit Westberlin“
Berlin (taz) - „Als ich den Honecker sah, hab ichs gleich zurückgehen lassen“, so einige Kiosk–Besitzer. Aber man findet sie dennoch ohne Probleme, die Sonderausgabe der Ost–Berliner Neuen Berliner Illustrierten zu „750 Jahre Berlin“: massenhafte Hochglanz–Werbung aus Ost– Berlin für Ost–Berlin in West– Berlin - eine kleine Sensation. Der Vertrieb Petermann hat 10.000 Exemplare aufgekauft; 120 Seiten Allerlei und Prinzipielles zum Jubiläums–Berlin, „als Stadt des Friedens weltbekannt“. Der erste Satz, ein Lakonismus von Honecker: „Berlin ist die Hauptstadt der DDR.“ Dann folgen die Reflexionen des Bauleiters Strathmann zum historisierenden Wiederaufbau des Nikolai–Viertels; unter „Eine gute Adresse“ wird Weltoffenheit an Diplomatenempfängen nachgewiesen; schließlich die „humanistische Tradition“ mit Zitaten von Lessing bis Varnhagen. Die Geschichte der Hauptstadt fängt - abgesehen von den Ursprüngen im Urstromtal - eben bei der Stunde Null an. Es gibt natürlich „Spuren ins Heute“, 1918 Karl Liebknecht im Tiergarten, 1930 Thälmann im Lustgarten. Aber die militaristische Tradition Preußens wird freundlich an den Manufakturen fürs blaue Soldatentuch abgehandelt. Kurzum, eine freundliche, versöhnungsbereite Werbenummer, in der auch die Kirche zu Wort kommt. Gesamtdeutsch sind dabei die Fragen, die ausgespart werden. Gelesen werden sollte aber auf jeden Fall der Artikel von Heinz Knobloch: „Die Toleranzstraße“ - ein Bericht über die „Große Hamburger“ und die Spuren des Jüdischen Viertels. KH
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