Ein bißchen Umwelt für die Chemie

■ Fachkonferenz der IG Chemie zu „Chemie und Umweltschutz“ / Erhalt der Arbeitsplätze bleibt vorrangig vor der eigenen Gesundheit / In der IG Chemie ist die Stimmung nach wie vor ungünstig für den Umweltschutz

Aus Mainz Felix Kurz

Die IG Chemie hat in Mainz zu einer Fachkonferenz „Chemie und Umweltschutz - schafft und sichert Arbeitsplätze“ eingeladen und ihren Mitgliedern ein hochkarätiges Podium angeboten. Der Bundesumweltminister in spe, Klaus Töpfer (CDU), beispielsweise und Beate Weber, SPD–Europaabgeordnete und im Schattenkabinett des rheinland–pfälzischen Spitzenkandidaten Rudolf Scharping als Umweltministerin vorgesehen. Schelte erhält Töpfer vom BASF–Vorstandsmitglied Detlef Dibbern. Der knallharte Manager ist immer noch sauer und „im Krieg“ mit dem rheinland– pfälzischen Noch–Umweltminister Töpfer, weil dieser kürzlich verschiedene Grenzwerte für giftige Einleitungen in den Rhein verschärfte. Beifall erhält er von den nach wie vor mehr um ihren Arbeitsplatz bangenden denn um ihre Umwelt und Gesundheit besorgten Betriebsräten. Töpfer spricht von einem „Prügel“, den er der Industrie zeigen, ihn dann aber doch nicht benutzen will, weil er auf die „Selbstverantwortung der chemischen Industrie“ setzt. Töpfers erste Sätze: „Wir brauchen die chemische Industrie und wir brauchen sie hier.“ Damit hat er das Publikum schon auf seiner Seite. Er kann das noch steigern. „Es geht nicht darum auszusteigen, sondern darum, in neue Anlagen zu investieren.“ Das klingt wie Musik in den Ohren des Auditoriums, daß sich seit Sandoz als „Umweltverschmutzer und Umwelt–Buhmann Nr.1 der Nation“ mit dem Rücken zur Wand fühlt. Diese Haltung bestärkt vor allem auch Wolfgang Schultze vom Hauptvorstand der IG Chemie, der fortlaufend davon redet, daß die chemische Industrie in Anbetracht der Umweltschützer und ihren Forderungen über kurz oder lang aus der Bundesrepublik auswandern werde. Da legt sich angesichts dieses hauptamtlichen Meinung bei manchen Kol legen sorgenvoll die Stirn in Falten. Es geht eben doch um die Arbeitsplätze. Der rheinland–pfälzische IG– Chemie–Bezirksleiter, Hans Terbrack, schärft seinen Gewerkschaftern zwar ein, daß „nur die Arbeitsplätze sicher“ seien, die umweltverträglich sind. Aber gerade darüber streitet man sich ja auch in der IG Chemie, bei der man sich in einem ganz besonderen Punkt mit dem Verband der chemischen Industrie (VCI) einig ist. „Umweltschutz darf nicht einseitig in Richtung chemischer Industrie diskutiert werden“, so Hans Terbrack. Einig sind sich die beiden Verbände auch bei der Frage der Giftmüllbeseitigung, die man nicht allein der chemischen Industrie aufbürden dürfe. Das Wörtchen „Giftmüll“ kommt den Funktionären dabei nicht über die Lippen. Für „Sonderdeponien und Sonderverbrennungsanlagen“ setzt man sich ein, „damit die Industrie nicht gefährdet wird“. Ob die Betriebsräte allerdings wie bisher in vielen Fällen weiter als dienstbare Gehilfen der Unternehmer zur Vertuschung von Umweltkatastrophen und Unfällen bereitstehen, scheint trotz des hohen Liedes vom Erhalt der Arbeitsplätze nicht mehr durchgängig zu stimmen. Vor allem der BASF–Betriebsratsvorsitzende Gerhard Blumenthal streitet engagiert für mehr Mitbestimmung der Belegschaft in Umweltfragen. „Ein bißchen Umwelt gibt es nicht“ ist sein Plädoyer an die Kollegen. Blumenthal weiß, wovon er spricht. Seine Sorge gilt vor allem seinen Arbeitskollegen, die häufig Versäumnisse von Politik und Unternehmen strafrechtlich ausbaden müssen, wenn etwas passiert ist. Die Unternehmensvorstände erwischt es nie, sagt er. Deshalb kämpft er für betriebliche Umweltausschüsse, die wie andere Mitbestimmungsgremien in den Betrieben paritätisch besetzt werden sollen. Dieses Thema allerdings blieb in Mainz weitgehend undiskutiert.