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Generalstreik gegen weiße Wahlen

■ Südafrikas Gewerkschaften rufen dazu auf, das Land am Wahltag nächste Woche lahmzulegen / Trotz Verbots zahlreiche Protestkundgebungen zum 1. Mai / Studentendemonstrationen gehen weiter / Gewerkschaftshaus erneut durchsucht

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - Der Kongress südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU), der Dachverband außerparlamentarischer Oppositionsgruppen UDF und der neugegründete Jugendverband SAYCO haben ihre rund sechs Millionen Mitglieder am gestrigen 1. Mai für Dienstag und Mittwoch nächster Woche zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen, um gegen die für die drei Millionen Weißen stattfindenden Wahlen zu protestieren. Der von dem Apartheid–Regime verbotene Protest könnte sich zu einer entscheidenden Machtprobe zwischen der außerparlamentarischen Opposition und dem Minderheitsregime entwickeln. Zahlreiche von COSATU geplante Protestversammlungen zum Maifeiertag waren von den Behörden zuvor mit der Begründung verboten worden, daß sie Teil einer kommunistischen Verschwörung zum Sturz der Regierung seien. Trotzdem hatten lokal organisierte Versammlungen in Kapstadt, East London und Durban regen Zulauf. Im Vorfeld der Wahlen haben die Spannungen zwischen Gewerkschaften und dem Regime in den vergangenen Tagen erheblich zugenommen. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche wurde am Mittwoch das COSATU–Hauptquartier von der Polizei umstellt und durchsucht. Die Polizei gab vor, nach den Mördern von vier Bahnarbeitern zu suchen, deren verbrannte Leichen am Dienstag abend gefunden worden waren. Die offizielle Begründung lautet, daß die vier Ermordeten sich zusammen mit einem fünften Kollegen nach dem seit Wochen anhaltenden Eisenbahnerstreik um eine Wiedereinstellung bei der Bahn bewerben wollten. Daraufhin hätten Gewerkschaftler die Streikbrecher in das COSATU–Hauptquartier entführt, dort gefoltert und später außerhalb der Stadt verbrannt. Angeblich konnte der fünfte Arbeiter entkommen und identifizierte bei der Durchsuchung der COSATU–Büros am Mittwoch Personen, die an den Taten beteiligt waren. Elf Leute wurden daraufhin verhaftet. Die Gewerkschaftsführung hält es hingegen für nicht bewiesen, daß die vier Eisenbahnarbeiter von ihren Kollegen ermordet worden sind. Auch an den liberalen weißen Universitäten fanden Demonstrationen statt. Weiße und Schwarze Studenten protestieren am Donnerstag in Johannesburg und in den Tagen davor in Kapstadt gegen den brutalen Überfall der Polizei auf das Hauptquartier des Gewerkschaftsdachverbandes COSATU, sowie gegen die Erschießung von sechs streikenden Eisenbahnarbeitern in der letzten Woche. In Sprechchören kritisierten sie außerdem den Überfall südafrikanischer Truppen auf angebliche ANC–Stützpunkte in Sambia. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes setzte die Polizei bei den Demonstrationen in Kapstadt auf dem Gebiet einer weißen Universität Schrotgewehre ein. Mehrere Studenten wurden verhaftet. Indessen sind in südafrikanischen Zeitungen zum ersten Mal seit Monaten wieder Fotos von peitschenschwingenden Polizisten erschienen. Dies folgt auf die Aufhebung einzelner Zensurbestimmungen durch das oberste Gericht der Provinz Natal.

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