: „Immer mit den Mächtigsten ins Bett“
■ Hetzerisches, Ketzerisches und viel kritische Information über die Heilige Katholische Kirche und deren Rolle im Faschismus bei der 1. Antiklerikalen Woche in Münster / Gotteswerker der „Santa Mafia“ nur als Under–Cover–Lauscher im atheistischen Publikum
Aus Münster Bernd Müllender
„Wenn einer meint, heute beim Fernsehen sei meine tote Oma durchs Wohnzimmer gerannt, sagen alle, ab mit dir in die Klapse; wenn aber eine Nonne erzählt, ihr sei auf einer Wiese Jesus in Form einer Oblate erschienen, dann wird da gleich Fronleichnam draus“. Spottworte von Gottfried Niemietz, Rechtsanwalt aus Freiburg. Niemietz war einer der Referenten der „1. Münsteraner Antiklerikalen Woche“, einer ketzerischen wie aufklärerischen Veranstaltungsreihe über das dunkle Treiben der Kirche, vor allem der katholischen. Organisatoren waren der Uni– AStA, die Grünen, Feministinnen und der „Bund der Atheist/inn/en und Confessionslosen (BAC - erfrischend ungläubig!)“. „Dieses Jesulein verfolgt uns überall, von der Geburt und Zwangstaufe bis zum christlichen Altersheim und Tod“, beklagte Nimietz in einem Vortrag die Atheistenverfolgung durch den Gotteslästerungsparagraphen 166 des StGB. Das Gesetz sei zynisch. Der Beleidigungsparagraph fordere Beweise, da diese aber in Glaubensfragen definitionsgemäß ausgeschlossen seien, gebe es eine „juristische Extrawurst“. Wenn religiöse Minderheiten beschimpft würden, wirke das Gesetz nicht. Er ist ein Mehrheitsschutz und Machtsicherungsinstrument allein für die großen Kirchen. Dabei sei die Kirche so satireanfällig, denn sie sage „Eins plus Eins ist drei“. Niemietz berichtete von zahlreichen Verfahren, durch die Staatsanwälte kirchliche und weltliche Macht zu betonieren versuchten. Die zwölf Veranstaltungen der 1. Münsteraner „AKW“ fanden durchweg Zuspruch von mehreren hundert Leuten: Vorträge, eine alternative „Prozession“, Theater. Der stationäre Büchertisch in der Fußgängerzone mit dem „teuflischen Almanach“ der Antiklerikalen aus Salzburg und die „Ketzerbriefe“ aus Freiburg wurden von Passanten gelegentlich attackiert, die Vorträge von Amtskirche und Lokalpresse gezielt totgeschwiegen. Wohl aber tauchten kirchliche Undercover– Lauscher auf und verbale Provokateure, und beim Info–Abend über den besonders von Papst Wojtila gehätschelten, ultrarechten Geheimbund „Opus Dei“ hatte sich sogar der höchste deutsche Gotteswerker der „Santa Mafia“, Opus–Geschäftsführer Hans Thomas aus Köln, unter das Publikum gemischt. Horst Herrmann sprach über „Lustfeindlichkeit - Kirche und Sexualität“: „Kirche und Klerus“, so sein kritisches Credo, „brauchen die Sünde, es ist ihre Existenzberechtigung“. Herrmann sprach zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder im Uni–Hörsaal der Theologen, ihn beschlichen dabei „wehmütige Erinnerungen“. Denn hier lehrte Herrmann in den siebziger Jahren als Theologie–Professor. Bald hätte ihn in seinen kritischen Vorlesungen, so der Ausgestoßene zur taz, „immer häufiger die kirchliche Denunziantenbande besucht und alle meine Worte mitgeschrieben.“ Die Folge: 1977 wurde dem katholischen Priester die Lehrbefugnis entzogen. Herrmann sorgte damals postwendend für einen Skandal in der Katholenhochburg Münster, als er selbst durch sündige Heirat das Zölibat verließ und durch Austritt die Kirche selbst. Heute lehrt er im kirchen–kontrollfreien Raum des Soziologischen Instituts. Der politischste und faktenreichste Vortrag kam von Karl heinz Deschner über „Kirche und Faschismus“. Er räumte mit den Legenden auf; die Kirche habe sich gegenüber den Faschisten distanziert, ob gegen den „Katholiken Hitler“ oder den „Katholiken Mussolini“ oder Franco. Die Kirche ist alles andere als eine Widerstandskraft gewesen, die Ausnahmen einzelner Priester bestätigen nur die Regel. Er lieferte Belege für die enge Kooperation zwischen Katholischer Amtskirche und den faschistischen Mörderbanden. Die wahre Regel lautet dabei: erst die römische Kurie, dann ganz schnell die Bischöfe, dann die Basis; erst wurde den Faschisten das Wort geredet, dann wurden sie hofiert, schließlich mitetabliert. Dabei sei die Kirche nicht per se faschistisch, sondern nur von ganz besonderer Flexibilität. Ihr zynisches Motto, so Deschner: „Immer und überall mit den Mächtigsten ins Bett, nur so konnte sie zwei Jahrtausende überleben“. Noch 1941 bekam Hitler von Papst Pius XII den „Segen des Allmächtigen“, nach dem Duce– Überfall auf Abessinien wurden praktischerweise „Giftgas und Marienbildchen gleich zusammen an die Front geliefert“, und selbst 1945 bejubelten die deutschen Bischöfe Hitlers Wehrmacht „auf dem Weg zum Sieg“, sie empfahlen „eine Armee von Betern hinter der Front“ und verlangten vom Gläubigen Volke dem Paulus– Diktum entsprechend, bedingungslos der Obrigkeit zu gehorchen. „Das 20. Jahrhundert“, so Deschner, „ist der grauenhafteste Skandal der Kirchengeschichte. Papst Pius XII ist wahrscheinlich mehr belastet als jeder andere Papst vor ihm. Er ist so sehr in diese ungeheuerlichen Greuel verstrickt gewesen, daß es nicht verwunderlich wäre, wenn man ihn jetzt heilig sprechen würde.“ Währenddessen wurde dem Hörsaal gegenüber noch letzte Hand an das päpstliche Altargerüst angelegt. Freitag abend, so das Programm des eiligen Vaters, stand ein Besuch am Grabe des Münsteraner Bischofs der Faschistenzeit, Graf Galen, auf dem Programm. In Rom läuft ein Verfahren, ihn selig zu sprechen. Graf Galen hatte während des Dritten Reiches alle bischöflichen Hirtenbriefe mit unterzeichnet. Am heutigen Samstag steigt zum Abschluß der Antiklerikalen Woche ein „rauschendes fest“
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