Südafrikas Weiße am Scheideweg

■ Mit Neuwahlen versucht P.W. Botha seine Machtbasis zu konsolidieren / Aus Johannesburg Hans Brandt

„Die Wahl“, so der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu in der vergangenen Woche, „ist rassistisch und undemokratisch.“ „In vielen Hinsichten kümmert es mich nicht, was die Weißen tun“, sagte Tutu. „Ich hoffe nur, daß sie aus Liebe zu sich selbst vernünftig sind. Es ist unmöglich, daß eine kleine Minderheit das Land ewig regiert.“ Diese Meinung wird von der breiten Mehrheit der schwarzen Bevölkerung Südafrikas offensichtlich geteilt. Sowohl der Kongreß südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU) als auch der oppositionelle Dachverband Vereinigte Demokratische Front (UDF) und zahlreiche andere Oppositionsgruppen haben für heute (Dienstag) und morgen zu einem landesweiten Generalstreik aus Protest gegen die rassistischen Wahlen aufgerufen. Die exklusiv für die drei Millionen weißen Wähler ausgerichtete Abstimmung ist denn auch überschattet durch die neue Welle der Unruhen und Proteste, die in den letzten Wochen im Lande ausgebrochen ist. Vor allem die schwarzen Gewerkschaften haben die eiserne Faust des Apartheid–Staates zu spüren bekommen. Der Streik der mehr als 16.000 Bahnarbeiter, in dessen Verlauf schon elfArbeiter zu Tode gekommen sind, hält weiter an. An zahlreichen Universitäten artikuliert sich der Unmut über das Apartheidregime immer deutlicher. Wirkliche Macht beim Militärapparat Die Regierung hat die Proteste ausgenutzt, um mit einer harten Recht–und–Ordnung Politik die Stimmen jener weißen Wähler zurückzugewinnen, die in den vergangenen Jahren ins ultrarechte Lager abgewandert sind. Anti– Apartheid–Gruppen erwarten deshalb auch nach der Wahl eine weitere Zunahme der Repressionen. Die Machtverhältnisse werden sich nicht ändern. Die Nationale Partei (NP), die schon seit fast vierzig Jahren das Land regiert, wird aller Voraussicht nach auch dieses Mal ihre gewohnte Zweidrittelmehrheit erreichen. Selbst für einige Weiße haben die Wahlen und das Parlament an Bedeutung verloren. Denn die wirkliche Macht liegt beim Militärapparat des Landes, nicht im Parlament. Dennoch wird diese Wahl auch von der außerparlamentarischen Opposition genau beobachtet. Denn in der Politik der Weißen tut sich was. Ein Erosionsprozeß der Regierungspartei, sowohl nach rechts als auch nach links, machen die Wahlen zu den spannensten der letzten Jahrzehnte. Ultrarechte Einigung kam nicht zustande Präsident P.W. Botha hätte die Weißen eigentlich erst 1989 zu den Urnen rufen müssen. Mit der vorgezogenen Wahl wollte er die augenscheinlichen Gewinne der ultrarechten Parteien, vor allem der Konservativen Partei (CP), eindämmen. So hat sich die NP im Wahlkampf auf harte Parolen gegen „ausländische Einmischung“ und den „kommunistischen Angriff“ gegen das Land konzentriert. Doch nachdem die CP sich nicht mit der anderen ultrarechten Partei, der Neugegründeten Nationalen Partei (HNP), über eine Zusammenarbeit einigen konnte, ist die Gefahr von rechts gebannt. Die rechten Stimmen bleiben zwischen CP und HNP gespalten. Auch die liberale Progressiv–Föderale Partei (PFP), die größte Oppositionspartei, wird kaum Gewinne verzeichnen können. All das bestätigen die jüngsten Umfragen, die der NP konstant mehr als 50 Prozent der Stimmen garantieren. So bleibt die Wahl wohl nur noch für die Machtkämpfe innerhalb der NP von Bedeutung. Schon seit langem wird spekuliert, wer Bothas Amt als Staatspräsident übernehmen wird. P.W. Botha, der selbst aus der Kapprovinz kommt, wollte wohl die Chancen des Kap–Führers der Partei, des Ministers für Verfassungsfragen Chris Heunis, verbessern. Denn der Transvaal–NP, die am meisten von den ultrarechten Parteien zu befürchten hatte, kam eine Wahl zu diesem Zeitpunkt höchst ungelegen. Wenn das stimmt, hat Botha sich peinlich verrechnet. Der NP–Führer im Transvaal, Erziehungsminister F.W. de Klerk, hat von den Ultrarechten nichts mehr zu befürchten. Heunis, andererseits, kämpft verbittert im eigenen Wahlkreis gegen die größte Überraschung dieses Wahlkampfes: gegen den unabhängig kandidierenden, ehemaligen südafrikanischen Botschafter in London, Dennis Worral. Mit der Bedrohung von links durch Worral und seine beiden unabhängigen Kollegen, die ehemaligen NP–Mitglieder Wynand Malan und Esther Lategan hatte die Regierung nicht gerechnet. Zwar war die anfängliche Euphorie, mit der dieser Bruch nach links in der liberalen Öffentlichkeit begrüßt wurde, überzogen. Dennoch stellt Worral eine reale Gefahr für die NP dar. Ohne Zweifel wird er nach der Wahl eine neue Partei der „gemäßigten Mitte“ gründen, die auch für weitere unzufriedene NP– Mitglieder große Anziehungskraft haben wird. Liberale Weiße zum Machtverzicht bereit Worrals Politik ist zudem ein ernstzunehmender Versuch liberaler Wirtschaftskreise, durch beschleunigte Reformen das System der freien Marktwirtschaft in einem föderalistischen Südafrika zu retten. Anders als die NP wären diese Leute wohl auch bereit, zu diesem Zweck die Macht der Weißen aufzugeben. Dafür spricht die erhebliche Unterstützung, die die Unabhängigen vom Zulu–Chef Mangosuthu Buthelezi genießen, der schon seit langem von der Geschäftswelt als zukünftiger, prokapitalistischer schwarzer Führer umworben wird. Die letzten Umfragen zeigen, daß der Kampf zwischen Worral und Heunis im Wahlkreis Helderberg außerhalb von Kapstadt ein Kopf–an–Kopf–Rennen ist. Das ist schlecht für Heunis. Verliert er, so ist seine politische Karriere beendet. Doch selbst wenn er mit einer nur knappen Mehrheit gewinnt, sind seine Aufstiegschancen innerhalb der Partei gleich Null. Ein großer Stimmengewinn für Worral würde zudem die NP zwingen, ihre Reformpolitik erheblich zu beschleunigen. Eine linke Abspaltung von der Regierungspartei könnte für die schwarze Opposition vielleicht neue Ansatzpunkte zum Aufbrechen der bisher weitgehend unerschütterlichen Einheit vor allem der Buren bieten. Andererseits besteht auch die Gefahr, daß mit der Unterstützung dieser Politik durch finanzkräftige Wirtschaftsinteressen mehr und mehr Schwarze vom System kooptiert werden. Doch letztendlich ist es unwahrscheinlich, daß die Macht der NP durch solche Verschiebungen in der weißen Politik gebrochen werden kann. Damit schwindet auch die Hoffnung, Südafrika könnte auf dem Weg der Reformen befriedet werden.