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D O K U M E N T A T I O N Volkszählung - ohne uns!

■ Einhundert ehemalige DDR–Bürgerinnen und Bürger erklärten in einem offenen Brief an die Bundesregierung ihre Weigerung, sich zählen zu lassen.

Die ehemaligen DDRler, teils aus der unabhängigen Friedensbewegung, teils einstige politische Häftlinge, fühlen sich durch die Volkszählung an ihre „Erfahrungen mit den DDR–Behörden erinnert“. Wir, ehemalige Bürgerinnen und Bürger der DDR, die jetzt in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) leben, erklären, uns der bevorstehenden Volkszählung am 25.5.1987 zu verweigern. Durch diese Volkszählung werden wir an unsere Erlebnisse und Erfahrungen mit den DDR–Behörden erinnert. In der DDR waren wir ständig einem Überwachungssystem des Staatsapparates ausgesetzt. Durch Personenkennzahlen, Hausbücher, Personalakten (Kaderakten), Fragebogen - und Spitzelsysteme und vieles andere mehr wurden wir erfaßt und kontrolliert. Mit einer gezielten staatlichen Planungs– und Überwachungspolitik wurde über uns verfügt und unsere Persönlichkeitsentfaltung behindert. Wir sind nicht bereit, erneut ähnliche Formen des staatlichen Machtmißbrauchs hinzunehmen. In einer zwangsweisen Durchsetzung der Volkszählung durch die Bundesbehörden sehen wir den Versuch einer Disziplinierung der Menschen nach einem uns bekannten Muster. Die Volkszählung und ihre Folgen stehen für uns im Widerspruch zum Grundgesetz der Bundesrepublik und stellen einen Abbau demokratischer Rechte dar. Wir sind sehr beunruhigt und wehren uns dagegen, einem Überwachungsstaat ausgesetzt zu sein. Deshalb erklären wir: Volkszählung - ohne uns! Wir fordern die Bundesregierung auf, Schluß zu machen mit der Verfolgung der Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen die Volkszählung wenden. Mißachten Sie die Ängste der Menschheit nicht, und setzen Sie die Volkszählung ab.

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