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Senioren blockieren Pershings

■ Erstes Pershing–Großmanöver seit drei Jahren angelaufen / Pershing–Transporter bei Ausweichmanöver umgekippt / 16 Blockierer wegen Nötigung vorläufig festgenommen

Mutlangen/Heilbronn (taz) - Fast eine Stunde lang blockierte gestern eine Mutlanger Senioren– Friedensgruppe die Ausfahrt eines Konvois von 36 Pershing–2– Raketen aus dem Mutlanger Atomraketendepot. Der Konvoi sollte zu einem ca. zehntägigen Großmanöver der in Baden–Württemberg stationierten amerikanischen Pershing–Einheiten ausrücken, wurde aber bereits kurz nach der Ausfahrt von den Blockierern gestoppt. Die Polizei nahm 16 ältere Menschen fest. Das Manöver, zu dem bereits vorgestern weitere Pershing–Einheiten ihre Stationierungsorte in Neu–Ulm und Heilbronn/Waldheide verlassen hatten, ist das größte seiner Art seit drei Jahren. Bereits am Dienstag mittag war es auf der Heilbronner Waldheide zu einem ersten Unfall gekommen. Einer der 17 Pershing– Transporter war bei einem Ausweichmanöver abgerutscht und umgekippt. Erstmals seit dem schweren Unfall im Raketen–Depot Heilbronn/Waldheide ist die dortige Einheit wieder an einem Manöver beteiligt - im Januar 1985 waren dort bei der Explosion eines Raketentreibsatzes drei amerikanische Soldaten getötet und 16 weitere schwer verletzt worden. Zu einer weiteren Blockade von 15 Pershings aus dem Mutlanger Raketenkonvoi war es wenig später auf der B 298 in Richtung Schwäbisch Hall durch zehn Frauen und Männer gekommen. Um den Raketenkonvoi passieren zu lassen, wurden die Blockadeteilnehmer von der Polizei eingekesselt, abgedrängt, wegen Nötigung vorläufig festgenommen und nach Schwäbisch Hall gebracht. Die Mutlanger Raketen haben mittlerweile nahe bei Crailsheim Stellung bezogen. Die Heilbronner Pershing–Einheit soll sich bei Bad Mergentheim aufhalten. Von dem diesjährigen Pershing 2 Manöver sind vor allem der Alb–Donau–Kreis, die Gegend um Tübingen und Reutlingen wie auch Eßlingen und Böblingen betroffen. Manöverbeobachter der Friedensbewegung gehen davon aus, daß es sich auf dem bei Heilbronn umgestürzten Transporter nicht, wie von der Polizei mitgeteilt, um eine Attrappe, sondern um eine einsatzbereite Pershing–Rakete handelte. Auch der Umstand, daß amerikanische GIs auffällig nervös das Fotografieren der Unfallstelle verhinderten, Bundeswehr– und amerikanische Einheiten die gesamte Umgebung weiträumig absperrten, läßt nach Ansicht von Manöverbeobachtern nur diesen Schluß zu. Bisher, so die Beobachter, habe sich, trotz anderer Angaben der Polizei, noch jedesmal die Einsatzbereitschaft der in einen Unfall verwickelten Pershings nachweisen lassen.

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