: SPD will Radiosender verscherbeln
■ Der linksrheinische Rundfunk in Rheinland–Pfalz ist von der SPD gekauft worden und soll an Private weitergereicht werden / Mitarbeiterbeteiligung von SPD nicht vorgesehen / Journalistische Freiheit bedroht
Aus Mainz Felix Kurtz
Der rheinland–pfälzische Linksrheinische Rundfunk (LR) ist klammheimlich vom Unternehmensbereich der SPD aufgekauft worden. Der Preis: der alte Nennwert von 50.000 DM. Derzeit sucht die Bundes–SPD nach einem finanzstarken privaten Geldgeber. Gespräche mit dem Schweizer Regnier–Verlag, der die Zeitschrift Natur herausgibt, wurden nach Informationen der taz bereits geführt. Auch der frühere Finanzminister Lahnstein, jetzt als Vorstand bei Bertelsmann, ist als Käufer im Gespräch. Die über 30köpfige LR–Belegschaft sieht diese „Machenschaften“ derzeit mit heftigem Mißtrauen und ahnt hinter den Medienaktivitäten in Bonn „nichts Gutes“. „Die wollen uns nach den Wahlen linken“, ist die weitverbreitetste Meinung. Am 17. Mai sind in Rheinland–Pfalz und Hamburg Landtagswahlen. Bei SPD– Bundesgeschäftsführer Peter Glotz haben die Mitarbeiter eine Beteiligung von 33 1/3 Prozent der Gesellschafteranteile und ein Redaktionsstatut für die Belegschaft des LR beansprucht, das ein Vetorecht der Redaktion bei der Bestellung des Geschäftsführers vorsieht. Nach dem rheinland–pfälzischen Mediengesetz ist der Geschäftsführer eines privaten Sender nach außen auch für redaktionelle Beiträge verantwortlich. Der amtierende Geschäftsführer Storck gilt in der Redaktion als Garant ihrer Unabhängigkeit vor allem auch vor sozialdemokratischen Zugriffen. Glotz ließ die Mitarbeiter bisher abblitzen. Von Mitarbeiterbeteiligung, so signalisierte er den düpierten Angestellten, halte man in der Bonner Baracke nichts. Deshalb wächst die Angst, daß man nach den Wahlen vor vollendete Tatsachen gestellt werde und ein finanzstarker Unternehmer aus dem SPD–Hut gezaubert werden könnte. Beim LR hat man inzwischen einen Betriebsrat gewählt, um auch so drohende personelle Veränderungen „durch die Bonner“ abwenden zu können. Betriebsratsvorsitzender Carsten Ascheberg: „Für die Sozialdemokratie war die Mitarbeiterbeteiligung wohl schon immer etwas Suspektes. Ohne die von uns gewünschte Beteiligung von 33 1/3 Prozent läuft nichts“. Ascheberg sähe den Sender „am liebsten zu 100 Prozent in den Händen der Angestellten“, um die journalistische Unabhängigkeit zu gewährleisten. Sein wichtigstes Argument für die Sozialisierung des Unternehmens: „Ohne die bisherige Selbstausbeutung von uns gäbe es den LR nicht“. Die Bundes–SPD läßt die LR–Mitarbeiter für 1.400 DM brutto arbeiten und macht derzeit mit dem Sender sogar Gewinn. Darüber, wie nach den Wahlen nun verfahren werden soll, läßt man vor allem die Belegschaft und den Geschäftsführer im Dunkeln. Allerdings sieht der Übernahmevertrag zwischen den Alt–Gesellschaftern (Neue Pfälzer Post(Neustadt), Medienwerkstatt Kern(Speyer), SP–Verlag (N.SchürenMarburg)) und dem neuen Eigner, der Printmedien GmbH und Co. KG ausdrücklich vor, nach dem 17. Mai 11,95 Prozent des LR an die Mitarbeiter zu veräußern. Die Altgesellschafter haben ein Vorkaufsrecht für insgesamt 14 Prozent. Geschäftsführer Schüren vom Marburger SP– Verlag N. Schüren sagte gegenüber der taz, er werde seinen Vorkaufsrecht–Anteil zugunsten der LR–Belegschaft abtreten. Mindestens 51 Prozent des Senders, so die Regelung, sollen in Nicht– SPD–Hände gelangen. Allgemein heißt es, man „parke“ den LR Rheinland–Pfalz nur bei der Printmedien GmbH, einer Gesellschaft der SPD, die nicht einmal im Telefonbuch zu finden ist. Geschäftsführer ist der als „knallharter Manager“ beschriebene Reiner Hlubek, der Fragen nur schriftlich beantworten will. Zwei Motive für den Medien– deal sind erkennbar. Zum einem war der LR, der bislang einzige linksalternative Sender in der BRD, stark verschuldet. Zum anderen wollten sowohl Landes– als auch Bundes–SPD den Pfälzer SPD–Bezirksfürsten Willi Rothley „aus dem LR schießen“. Rothley saß in seiner Eigenschaft als Treuhänder der Neuen Pfälzer Post (NPP) in der Gesellschafterrunde im LR, und in Mainz befürchteten die Genossen, daß der chaotische, querdenkende und in der rheinland–pfälzischen SPD– Riege als zu links geltende Europaabgeordnete den Sender gegen sie nutzen könnte. Rothleys politische Zukunft ist durch den „Krieg um den LR“ unsicherer denn je, heißt es in Mainz „der ist politisch tot“, auch wenn er noch in der Wahlkampfmannschaft des SPD– Spitzenkandidaten Rudolf Scharping auftauchte. Studentenstreiks Hannover (taz) - Nur wenige streikende Studenten blieben auf Posten, als sich der niedersächsiche Wissenschaftsminister Cassens (CDU) am Donnerstag in eine hannoversche Fachhochschule begab. Etwa 4.000 Studenten kesselten ihn ein und zwangen zu einer Aussprache. Cassens nannte erstmals Zahlen: Allein 1988 Einsparungen im Bereich Forschung und Lehre von 35 Mio. DM. Währenddessen wächst die Streikwelle an. An der Uni Hannover befinden sich 15 Fachbereiche im Streik. Unterstützung bekamen die streikenden Studenten vom Senat der Uni Hannover, der sich gegen die geplanten Studiengebühren aussprach. In Göttingen und anderen Hochschulen ist ebenfalls den Ausstand beschlossen worden. In Hamburg traten Theologiestudenten in einen „Besetzungsstreik“.ak Foto: Jürgen Bindrim/laif
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