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Krankenhaus im Kreuzfeuer

■ Bis heute sollten 700 Patienten aus der Klinik in der umkämpften Stadt Jaffna evakuiert werden

Seit Wochen wird sowohl in Colombo als auch im südindischen Madras darüber spekuliert, wieviele zivile Opfer die Regierungsarmee für die Rückeroberung der strategisch wichtigen Hochburg der tamilischen Guerilla, der Jaffna–Halbinsel im Norden, in Kauf nimmt und wann sie erfolgt. Einer der Joker in diesem Kampf ist das große Zentralkrankenhaus von Jaffna, dessen Schließung und Evakuierung von den Behörden für den heutigen Mittwoch angeordnet wurde. Das 1.500–Betten–Hospital im Zentrum von Jaffna ist Anlaufzentrum für etwa eine Million Menschen von der Halbinsel und den angrenzenden Distrikten und geriet in den vergangenen Monaten mehrfach ins Kreuzfeuer zwischen Guerilla und Militär. Achtmal wurde es von Granaten getroffen, am 30.März kamen bei einem solchen Zwischenfall zehn Patienten ums Leben, 25 weitere wurden verletzt. „Im Interesse der Sicherheitskräfte und der Patienten“, so ein Regierungskommunique vom 4. Mai, solle die Klinik daher bis zum 13.5. geräumt werden. Ende letzter Woche reiste daraufhin eine Ärztedelegation nach Colombo und erklärte dem zuständigen Sicherheitsminister, daß es unmöglich sei, die 700 Kranken, darunter 100 Schwerverletzte, 220 Ärzte, 450 Krankenschwestern, 500 weitere Angestellte, zwei Labors und drei Operationsräume in den bereits völlig überfüllten zwei kleineren Kliniken Jaffnas unterzubringen. Allein für den Transport der Geräte würden hundert Lastwagen benötigt. Tausende von Menschen demonstrierten in den vergangenen Tagen in Jaffna gegen die Anordnung. Der Sprecher der tamilischen Guerillagruppe EROS erklärte, die Maßnahme sei ein reiner Racheakt auf die Ankündigung der Regierung des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu, Medikamente und Nahrungsmittel nach Jaffna zu schicken. Womit er vermutlich nicht ganz unrecht hat, denn in der Tat verurteilte Präsident Jayewardene die humanitäre Unterstützung „außerhalb der üblichen Kanäle zwischenstaatlicher Beziehungen“ mit ähnlichen Argumenten, mit denen er die vom Krankenhauspersonal geforderte Überwachung der Klinik durch das Internationale Rote Kreuz ablehnte: Beides sei eine Verletzung der Souveränität Sri Lankas bzw. „ein Schritt zur Internationalisierung des ethnischen Konflikts“. In vorletzter Minute stimmte die Regierung dann am Wochenende einem vorläufigen Kompromiß zu: die Räumung wird ausgesetzt, das Gebiet um die Klinik zur Waffenstillstandszone erklärt. Sollten der Beschuß des nahen militärischen Forts von Wohnhäusern hinter der Klinik jedoch weitergehen, sei eine Evakuierung unumgänglich. Und zur Bekräftigung erklärte ein lankanischer Minister am Montag in Indien, die Regierung sei nach wie vor entschlossen, Jaffna unter Kontrolle zu bringen. Durch den seit Wochen mit kurzen Unterbrechungen aufgerufen und wer immer kann, verläßt auf Lastwagen oder Ochsenkarren die Stadt. Die „Vereinigung der Geschäftsleute von Jaffna“ hat in einem Brief an den indischen Ministerpräsidenten Gandhi darum gebeten, Schiffe zur Rettung der Tamilen zu entsenden. Eine Antwort steht noch aus. Biggi Wolff

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