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Österreichs Grüne zeigen Flagge

■ Reaktionen auf Wabls Schwenk mit Nazi–Flagge zwingen Grüne zum Rückzug / Österreichs Rechte geht zu Waldheim auf Distanz / Juden haben Angst vor „Dolchstoßlegende“

Aus Wien Reinhard Engel

Mitten in der Parlamentsdebatte über den Fall Waldheim zog der Grüne Abgeordnete Andreas Wabl am Donnerstag abend eine meterlange Hakenkreuzfahne aus der Tasche und schwenkte sie. „Unser Präsident hat nichts anderes zu sagen gewußt als ich habe meine Pflicht getan“, so Wabl. „Er hat seine Pflicht unter dieser Fahne getan, und ich zeige Ihnen diese Fahne.“ Die Empörung der Abgeordneten über diese Aktion zwangen den Parlamentspräsidenten, die Sitzung für eine Stunde zu unterbrechen und Wabl einen Ordnungsruf zu erteilen. Am Freitag distanzierte sich Wabl von seiner Aktion mit den Worten, er habe niemanden verletzen wollen. Die Grüne Fraktionschefin Meißner–Blau distan zierte sich ebenfalls und bot fraktionsintern ihren Rücktritt an, weil sie in Wabls Handlung einen Mangel an Loyalität zu ihr sah. Die Grünen lehnten den Antrag zur Verteidigung Waldheims ab und Obfrau Freda Meißner–Blau kündigte ein Volksbegehren für die Absetzung Waldheims an, falls noch Beweise für persönliche Schuld auftauchen sollten. Für den Antrag hatten die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ sowie die rechtsliberale Freiheitliche Partei FPÖ gestimmt. FPÖ–Obmann Jörg Haider machte in seiner Rede einen interessanten Schwenk. Zuerst attackierte der populistische Kärntner heftig die USA und die Wiener Regierung für ihre laxe Reaktion auf die Watch–list–Entscheidung. Doch dann distanzierte sich Haider im Namen seiner Partei von der „Person“ Waldheim. Die Unterstützung gelte lediglich dem Präsidentenamt. Für Haider, der bei seiner Stimmensuche unter „Ehemaligen“ nicht zimperlich ist, gab es bei Waldheim „Gedächtnislücken“ und ein unklares Verhalten im Umgang mit der eigenen Geschichte. Der Präsident der jüdischen Kultusgemeinde, Paul Grosz, sprach sich gestern gegen einen Rücktritt Waldheims aus. Zu leicht könnte dies auf die wenigen österreichischen Juden zurückfallen und zu einer neuen „Dolchstoßlegende“ führen. Am Donnerstag kehrte auch eine dreiköpfige Expertenkommission aus Belgrad nach Wien zurück. Sie hatte dort im Staatsarchiv neue Dokumente über Waldheim gesucht, die ihm aber nach ersten Aussagen keine Verwicklung in Kriegsverbrechen nachweisen.

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