: Die Vobo–Bewegung beginnt mit ihrer Zählung
■ Noch einmal: Was tun, wenn der Zähler klingelt? / Also: Wer dem Zähler die Tür vor der Nase zuschlägt, wird sofort als Boykotteur erfaßt / Mit dem ersten Bogen risikolos zur Sammelstelle / Die taz wird regelmäßig das „Boykottbarometer“ veröffentlichen
Von Vera Gaserow
Berlin (taz) - Nun streunen sie also durch die Straßen mit ihren kiloschweren Zähler–Koffern und einem ganzen Packen Angst vor dem, was ihnen da an der Haustür blüht. Aber nicht nur die Zähler/ innen sind unsicher, was sie nach dem ersten Klingelzeichen erwartet, auch die Gezählten wissen trotz eines Stapels von Informationen häufig immer noch nicht, wie sie sich nun „richtig“ verhalten, wenn „Er“ (der häufig eine „Sie“ ist) vor der Tür steht. Fest steht: Wer dem Zähler die Tür vor der Nase zuschlägt oder die Annahme der Bögen verweigert, wird sofort als Boykotteur gemeldet. Die Vobo– Initiativen raten daher, den Bogen entgegenzunehmen, aber zuvor den Zähler eindringlich zu befragen und sich Zählerausweis samt Personalausweis zeigen zu lassen. Stellt sich dabei heraus, daß der Zähler in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnt oder durch seinen Beruf in Interessenkollision kommen könnte, wären das bei einem späteren Bußgeldverfahren wichtige Verweigerungsgründe. Niemand muß sich dem Zähler von Angesicht zu Angesicht zu erkennen geben. Das Gesetz schreibt nur vor, daß man/frau den eigenen Namen nennen muß und die Anzahl (nicht die Namen) der übrigen Haushaltsmitglieder und die An zahl der übrigen Haushalte in der Wohnung. Ob die Person, die er antrifft, tatsächlich ihren richtigen Namen genannt hat, kann der Zähler nicht überprüfen, denn eine Ausweispflicht gibt es für die Gezählten nicht. Einige Boykottinitiativen raten, in jeden Haushalt eine Phantom–Person mit erfundenem Namen einziehen zu lassen und für sie auch einen Fragebogen entgegenzunehmen, damit es später schwerer fällt, die harten Boykotteure aus der großen Masse der Namen herauszufiltern. Trifft der Zähler dreimal hintereinander niemanden, werden die Fragebögen per Postzustellungsurkunde an Mann und Frau gebracht. Viele Boykottgruppen empfehlen jedoch, den Fragebogen möglichst rasch ent gegenzunehmen und bei den Sammelstellen abzugeben, damit so schnell wie möglich die ersten „Hochrechnungen“ über die eingegangenen Fragebögen herausgegeben werden können. Die Vobo– Gruppen weisen darauf hin, daß alle Boykottwilligen ihren ersten Fragebogen risikolos und unausgefüllt bei den Sammelstellen abgeben können. Jeder kann mit dem Argument, er habe den ersten Bogen verschlampt, ohne weiteres einen zweiten oder dritten anfordern. Was man/frau dann mit diesen Bögen macht, ob nach den ersten Mahnungen und Bußgeldandrohungen weiterhin die Auskunft verweigert und der Gerichtsweg eingeschlagen wird, hängt von Risikobereitschaft und auch Finanzkraft jedes einzelnen ab. Amts– und Verwaltungsgerichte haben bislang anscheinend keine personellen Vorkehrungen für die bevorstehende Prozeßlawine getroffen, sodaß mit ewig langen Verfahrenszeiten zu rechnen ist. Wichtig jedoch, so meinen die Vobo–Initiativen, zur öffentlichen Demonstration der Boykottbereitschaft ist: Der erste Bogen gehört in die Sammelstellen, und zwar so, daß bei einer möglichen polizeilichen Beschlagnahmung sein früherer Besitzer nicht mehr anhand der Nummer identifizierbar ist. Insbesondere in den größeren Städten gibt es inzwischen ein dichtes Netz von Sammelstellen. In Hamburg und Berlin sind es weit über 100 Einrichtungen, die die unausgefüllten Bögen als Altpapier entgegennehmen und nach erster Zählung weiterer Verwendung zuführen. In Berlin z.B. planen die Gruppen, die Bögen rund um die Mauer zu plakatieren, bis der Kreis geschlossen ist. In etlichen Städten sind die ersten Bögen in den Sammelstellen abgegeben worden. In zweitägigen Abständen wird das Koordinationsbüro in Bonn von dieser Woche an die Zahl der gesammelten Bögen veröffentlichen, die ihnen die regionalen Koordinationsstellen durchgegeben haben. Die taz wird diese Zahlen regelmäßig an exponierter Stelle in ihrem „Boykottbarometer“ bekanntgeben.
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