I N T E R V I E W „Atmosphäre nachhaltig vergiftet“

■ Thea Bock, GAL–Realo–Flügel, zu Konsequenzen der Niederlage / Mehrheit hat nichts gelernt / „Wir brauchen eine inner–GALische Umgangsrevolution“

taz: Gibt es nach dem Wahlergebnis vom Sonntag noch irgendeine Chance für GAL–Reformpolitik? Thea Bock: Die standen ja auch vor dem Sonntag nicht gut. Die SPD mit ihrer Scheinkoalitionsaussage und der GAL–Landesvorstand mit seiner Bündnisverweigerung: Die Holzköpfe in beiden Lagern wetteiferten doch damit, rot–grüne Zusammenarbeit zu verhindern. Hat die GAL denn aus der Niederlage gelernt? Gemessen an unseren Diskussionen gestern und heute sieht es nicht danach aus. Neben nur noch primitiven Wählerbeschimpfungen wurde das kleine Glück im stillen Oppositionswinkel verkündet. Zum Beispiel hieß es, wir sollten über das Wahlergebnis doch froh sein, denn nun wüßten wir ja, wieviel Stammwähler wir haben. Das bedeutet? Nichts anderes, als daß wir in Gefahr sind, verbohrt unsere breite Basis bis in ökologische Kreise von Bürgertum und kleinem Handwerk zu verlieren. Dieser Tendenz müssen wir entschieden entgegenwir bisherige Vielfältigkeit nach wie vor für unsere größte Stärke. Und gibt es einen eindeutig Verantwortlichen für die Niederlage? Nein, so einfach möchte ich es mir nicht machen. Da kamen verschiedene Faktoren zusammen. Aber jetzt ist der Punkt erreicht, wo wir uns ohne Scheuklappen selbst ansehen müssen. Und da behaupte ich, daß die verheerende Politik des Landesvorstandes die Niederlage mit provoziert hat. Mittlerweile sind wir soweit, daß wir sogar darum kämpfen mußten, daß der Landesvorstand auf einer Pressekonferenz zu seiner Verantwortung steht. Erst provoziert er die Niederlage mit, dann will er sich hier nicht stellen. Und wie soll es weitergehen? Wir müssen es schaffen, wieder nach vorn zu diskutieren. Wir müssen uns klarmachen, daß das alleinige gebetsmühlenartige „Wir müssen Druck auf die SPD ausüben“, also die SPD „spalten“, nichts für unsere weitere Politik beantwortet. Momentan sind wir nicht fähig, überzeugende Alternativen anzubieten, geschweige denn, umzusetzen. Wichtig ist jetzt die breite innerparteiliche Diskussion, was für eine Partei wir eigentlich sind, wohin wir wollen und nicht die radikale Schmollecke, in der wir immer recht haben und die anderen immer unrecht. Das hört sich ja nach Spaltung an. Nein. Harte Auseinandersetzungen sind doch keine Spaltung. Allerdings ist die Atmosphäre bei uns nachhaltig vergiftet. Wenn wir nicht gegeneinander reden, reden wir aneinander vorbei. Was wir brauchen, ist eine inner–GALische Umgangsrevolution. Das Gespräch führte Tom Janssen