Rote Karten für Grünen–Fundamentalisten

■ Die Niederlage der GAL verschärft den Konflikt zwischen den Grünen Flügeln

Zwar gab es vor der Wahl kaum ein Mitglied der GAL, das nicht mit leichten Verlusten gerechnet hätte - daß es aber so schlimm kam, überraschte selbst die größten Pessimisten. Für die Hamburger Realos ist das Maß jetzt voll: Sie fordern personelle Konsequenzen. Demgegenüber geht es den rheinland– pfälzischen Grünen geradezu gut: Sie hatten zwar mehr erwartet, sind aber letztlich alle froh, daß es zum Einzug in den Landtag gereicht hat. Der GAL–Burgfrieden dauerte am Wahlabend ungefähr drei Stunden. Während dieser Zeit beschworen die GALierinnen flügelübergreifend die rot–grüne Reformperspektive, für die sie nach wie vor zur Verfügung ständen. Angesichts der innerparteilichen Auseinandersetzungen der letzten Wochen, bei denen die GAL– Mehrheit alles darangesetzt hatte, diese Perspektive zu verhindern, eine überraschende Wende, die innerhalb der GAL–Minderheit vorzugsweise zynisch kommentiert wurde. Um 20.30 Uhr kam dann aus Bonn die innerparteiliche Kampfansage. Der Hamburger Bundesvorstandssprecher Christian Schmidt (Repräsentant des fundamentalistischen Flügels), ließ im Rahmen der Bonner Runde verlauten, die GAL hätte mehr hinter Büchertischen stehen müssen, statt sich über Bündnisoptionen zu unterhalten. Daraufhin beschloß die Minderheit, eine eigene Erklärung herauszugeben. Unter feindseligen Blicken und Türeknallen wurde sie gegen 21 Uhr der Öffentlichkeit präsentiert. Tenor: die GAL habe durch falsche, dogmatische Politik der SPD Wähler in die Arme getrieben und damit Reformchancen verspielt. Gegen 22.30 Uhr konterte der Landesvorstand mit einer Gegenerklärung. In der Wählerschaft hätte wieder die „Theorie vom kleineren Übel SPD“ Fuß gefaßt. Dezenter und wohlverstandener Hinweis auf die frischen innerparteilichen Auseinandersetzungen, in denen die Mehrheit die 40 diese Theorie in der GAL hoffähig gemacht zu haben. Gestern setzte dann Bundesvorstandssprecherin Jutta Dittfurth noch eins drauf, indem sie erklärte, daß sich in der Hamburger GAL ein SPD–Flügel herausgebildet hätte. Wütende Replik des ehemaligen Wirtschaftsreferenten Paul Rieckmann: „Jutta soll lieber um ein Apfelbäumchen tanzen, dann richtet sie in der gesamten Partei weniger Schaden an.“ Noch am Sonntag abend hatte sich die Minderheit nach der Wahl zu einer mitternächtlichen Krisensitzung getroffen. Trotz des Schocks, der Wut und Enttäuschung bemühte man sich um eine erste analytische Bewertung. Kernpunkte der Minderheitsüberlegungen zum desaströsen Ergebnis: - Nach der Novemberwahl 1986 mit 10,4 Wähler einfach zur „Systemopposition“ stilisierte und damit Politik über ihre Köpfe hinweg gemacht wurde; - der Wunsch, es in Hamburg nicht zu einer CDU–Wende kommen zu lassen, wurde sträflich unterschätzt; - die Hamburger Wähler bewiesen zu Parteien, die Reformversprechen machten und dann nicht einhielten, ein kritisch–distanziertes Verhältnis. Im November verpaßten sie der SPD einen schmerzlichen Denkzettel, nun der GAL. Gestern ging es dann in einer mehrstündigen Fraktionssitzung darum, erste Konsequenzen aus dem Wahlergebnis zu ziehen. Besonders schmerzlich: der Verlust von fünf Fraktionskolleginnen mit den Schwerpunkten Soziales, Gesundheit, Medien, Sport, Wissenschaft und Hochschulen. Hatte bisher die Minderheit in der Fraktion ein Übergewicht, ist die zusammenschrumpft Fraktion strömungsmäßig beinah blockiert. Der Wähler ist dumm Keine Einigkeit gab es erwartungsgemäß bei der Einschätzung der Wählerbewegungen. Petra Beyer aus dem Landesvorstand konstatierte genial: „Der Wähler ist dumm.“ Kompromißlinien zeichneten sich bis zum Nachmittag kaum ab - unterschwellig standen die gegenseitigen Schuldzuweisungen geradezu greifbar im Raum. Ob unter diesen Umständen eine gemeinsame Pressekonferenz, getrennte Einschätzungen oder überhaupt eine Pressekonferenz stattfinden sollte, war bei Redaktionsschluß noch nicht klar. Pressesprecherin Kirsten Ellerbrake zu den wartenden Journalisten fröhlich–bitter: „Das wird ein langer Tag. Richten Sie sich mal auf heute Abend ein.“ Kommenden Sonntag soll sich dann die Mitgliederversammlung, das höchste beschlußfassende Organ der GAL, mit dem Debakel befassen. Die Tage des beinah unkontrollierten Schaltens und Waltens der Mehrheit, vor allem im Landesvorstand, scheinen aber gezählt. Es wurde bereits andiskutiert, den dreizehnköpfigen Landesvorstand „pluralistisch“ zu erweitern. Tom Janssen