WAA–gieriges Schulterklopfen der Atommafia

■ Bayerisches Umweltministerium veranstaltet viertägiges Symposium zur Entsorgung von Atomkraftwerken / Experten aus der „Kernenergiemafia“ rüsten sich gegenseitig moralisch auf / Tenor: Inbetriebnahme der WAA auch ohne den Schnellen Brüter von Kalkar

Aus München Luitgard Koch

Der Bau der „Oberpfälzer Atommüllfabrik“ ist auch ohne die Inbetriebnahme des umstrittenen Schnellen Brüter in Kalkar sinnvoll, erklärte der Bayerische Ministerpräsident Strauß am Montag zu Beginn eines viertägigen Symposiums zur Entsorgung von Kernkraftwerken in München. Da ausschließlich abgebrannte Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren in der WAA verarbeitet würden und das gewonnene Plutonium wieder in Leichtwasserreaktoren eingesetzt werde, sei der Schnelle Brüter nicht unbedingt notwendig. Für eine alsbaldige Inbetriebnahme der WAA aus marktwirtschaftlichen und technologie–politischen Gründen sprach sich auch der Leiter der Abteilung Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen aus dem Bonner Umweltministerium, Hohlefelder, aus. Die derzeit verfügbare Wiederaufbereitungskapazität im Ausland biete auf Dauer keine ausreichende Entsorgungssicherheit, betonte er. Schon vor der Eröffnung der Tagung, zu der das bayerische Umweltministerium eingeladen hat, gab es heftige Kritik. Grund: die Auswahl der Referenten, die zum Großteil aus den Bonner Ministerien, den Kernforschungszentren Karlsruhe und Jülich sowie von der DWK kommen. Der geladene Referent Dieter Teufel vom Heidelberger Umweltinstitut wollte an der „viertägigen Jubelveranstaltung“ nicht teilnehmen, da kein einziger der 3O Experten ein der Wiederaufarbeitung oder Kernenergie kritisch gegenüberstehender Wissenschaftler sei. Die Feigenblattfunktion als „kritischer Fragesteller“ lehnte er ab. Für den umweltpolitischen Sprecher der SPD–Landtagsfraktion, Hans Kolo, war klar: Die geladenen Wissenschaftler sind „samt und sonders der Kernenergie–Mafia entstiegen“. Ab Mai 1988 sollen weltweit zum ersten Mal im Salzbergwerk Asse wärmeproduzierende hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufbereitung endgelagert werden. Daß die direkte Endlagerung kostengünstiger sei als die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente, räumte Dr. Closs vom Kernforschungszentrum Karlsruhe ein. Trotzdem sei dadurch die Wirtschaftlichkeit der Wiederaufarbeitung nicht fragwürdig, weil es gelte, eine später mögliche Ressourcenverknappung und einen „technologischen Fadenriß“ zu vermeiden. Von ei nem derzeit noch bescheidenen Erlös aus der Wiederverwendung von Uran und Plutonium sprach auch der Geschäftsführer der Hanauer Plutoniumfabrik ALKEM, Prof. Stoll. Ein anderes Problem ist die Beseitigung von Tritium. „Tritium ist eines der wenigen leicht flüchtigen Radionuklide, die sich nach Freisetzung auf Grund ihrer Halbwertzeit und chemischen Eigenschaften weltweit verteilen“, erklärte Prof. Merz von der Kernforschungsanlage Jülich. Es entsteht in den Brennelementen und gehört zu den Nukliden, die mit aller Wahrscheinlichkeit einen „signifikanten Beitrag zur globalen Strahlenbelastung“ leisten, stellte Merz fest. Eine Begrenzung der Tritiumabgabe in die Biosphäre sei deshalb notwendig. Zur Entsorgung des tritiumhaltigen Abwassers werden derzeit drei Alternativen vorgeschlagen. Zum einen die Verpressung in Speicherhorizonte des geologischen Untergrunds, zum anderen die Zementierung in gasdichte Behälter, die in einem begehbaren Salzbergwerk deponiert werden sollen sowie eine vor der Endlagerung durchgeführte Elektrolyse. Verwirrung und Ratlosigkeit löste der ehemalige Mitarbeiter der GSF und derzeit am Londoner St. Bartholomews Hospital tätige Prof. Trott aus, als er die Unsinnigkeit von epidemiologischen Untersuchungen herausstellte. Sie lösen keine Probleme, sondern schaffen nur welche, behauptete der Professor. Staatssekretär Vogl aus dem bayerischen Umweltministerium meinte danach gespielt hilflos, wie denn sonst Gerüchten von weißen Spatzen in der Nähe des AKWs Ohu oder den mißgebildeten Kälbern nach Tschernobyl zu begegnen sei.