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Saarland: Mit Feuer gegen den Müll

■ Saar–Regierung läßt trotz gegenteiliger Wahlversprechen neue Müllverbrennungsanlage bauen Umweltminister Leinen: Verbrennung durch neue Technik weniger gefährlich / Grüne wollen Abfallhearing

Aus Saarbrücken Felix Kurtz

Die saarländische Landesregierung hat als Standort für eine zusätzliche Müllverbrennungsanlage (MVA) die Grube Velsen in Großblittersdorf bekanntgegeben. Die MVA ist in ein „Müll–Recyclings–Zentrum“ eingepackt, in dem auch die „Aussortierung und Wiederverwertung von Abfall–Rohstoffen“ angegangen werden soll. Der saarländische Umweltminister Jo Leinen (SPD) erklärte dazu, daß durch „Stoff– Recycling“ 40–45 „Sekundär–Rohstoffe“ Glas, Papier und Metalle und als Kompost gewonnen werden können. Nur 55–60 „Energie–Recycling“, die neue Schreibweise für Müllverbrennung, zugeführt werden. Ausgelegt werden soll das neue Zentrum auf 250.000 bis 300.000 Jahrestonnen. Neben der geplanten Müllverbrennungsanlage existiert bereits in Neunkirchen eine MVA mit einer Kapazität von 110.000 Jahrestonnen. Im Saarland fallen jährlich rund 700.000 Tonnen Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle an. Mit dieser Entscheidung für eine zusätzliche MVA im Saarland, so der saarländische grüne Landesvorstandsprecher Michael Burkert, habe sich Umweltminister Leinen an die „Spitze der Müllpyromanen in der BRD gesetzt“. Allein die Kapazität beider Anlagen weise den Weg, den die Landesregierung in der Abfallpolitik gehen wolle. Angetreten waren Oskar Lafontaine und Jo Leinen zu den Wahlen vor über zwei Jahren mit der Aussage, man werde keine zusätzliche Verbrennungsanlage für Müll im Saarland zulassen. Vorrangig sei die Vermeidung von Müll, von der allerdings bei der Vorstellung des Recycling–Zentrums keine Rede mehr war. Jo Leinen sagte gegenüber der taz, „bedingt durch neue Techniken der Rauchgaswäsche“ sei es „heute möglich, Müll weniger gefährlich zu verbrennen“. 1992 soll die Anlage in Betrieb gehen. Allerdings ist noch nicht geklärt, wer der Betreiber des voraussichtlich über 150 Mio. DM teuren Projektes werden soll. Umweltschützer und Grüne verwiesen in ersten Stellungnahmen darauf, daß man bei Großprojekten dieser Art durch die Vermischung des Mülls nur noch „minderwertige Rohstoffe“ aussortieren könne, für die es keinen Markt gäbe. Burkert warf Leinen vor, „konzeptionslos“ zu handeln. „Ökologische Aspekte spielen bei dieser Landesregierung offenbar keine Rolle mehr“, meinte der Grüne Vorstandsprecher. Müllvermeindung erreiche man nur durch öffentliche Aufklärung, eine andere Gebührenordnung und durch Verbote. Gemeinsam mit den saarländischen Umweltschutzverbänden wollen die Grünen deshalb ein Abfallhearing im Saarland durchführen.

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