Vobo: Durchsuchungen im Ländle

■ Landesweite Durchsuchungs– und Beschlagnahmeaktionen in Baden–Württemberg / Grüne klagen vor Bundesverfassungsgericht wegen Raumverbot für ihren Landesparteitag in der Stadthalle von Calw

Von Dietrich Willier

Stuttgart (taz) - Mit einer landesweiten Durchsuchungs– und Beschlagnahmeaktion ging das baden–württembergische Landeskriminalamt gestern gegen zahlreiche Volkszählungsinitiativen, Regionalbüros der Grünen und Privatpersonen vor. Nachdem Staatsanwaltschaften verschiedener Amtsgerichte es abgelehnt hatten, wegen „Aufrufen zu Sachbeschädigung“, Durchsuchungs– und Beschlagnahmebefehle zu erlassen, hatten sich die örtliche Polizei und das LKA erfolgreich an die Staatsanwaltschaften der Landgerichte gewandt. Bereits am Donnerstag abend waren Beamte des Staatsschutzes mit lange vorbereiteten Beschlagnahmebeschlüssen in Regionalbüros der Grünen und örtliche Volkszählungsinitiativen in Mannheim und Heidelberg eingedrungen, um Broschüren und Flugblätter zu konfiszieren. Am Freitag morgen waren acht Beamte des Staatsschutzdezernats mit Unterstützung der Feuerwehr in das verschlossene Büro der Initiative für Bürgerrechte und Umweltschutz, eine Sammelstelle für Volkszählungsbogen in Stuttgart, eingedrungen. Orte weiterer Durchsuchungs– aktionen waren im Laufe des Freitag das Grüne Regionalbüro, fünf Pforzheimer Privatwohnungen und der dortige Buchladen. Der Sprecher des Stuttgarter In nenministeriums widersprach ausdrücklich, daß es sich bei den zahlreichen Durchsuchungen um eine landesweit angeordnete Aktion handele. Von einer konzertierten Aktion durch das Stuttgarter Innenministerium könne überhaupt nicht die Rede sein. Erst vor drei Tagen war die Speicherung von Personen, die an Veranstaltungen zur Volkszählung teilnehmen oder zu deren Boykott aufrufen, in die Dateien von Staatsschutz, BKA und Bundesverfassungsschutz bekannt geworden. Inzwischen steht auch der Ort des Landesparteitags der baden– württembergischen Grünen fest, das Stuttgarter Theaterhaus. Der ursprünglich vorgesehene Ort, die Stadthalle in Calw, war vom dortigen Bürgermeister mit der Begründung verweigert worden, eine eventuelle Diskussion der Grünen über den Boykott der Volkszählung sei nicht auszuschließen. Der baden–württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hatte am Mittwochabend diese Entscheidung in zweiter Instanz bestätigt. Ein Recht auf Versammlungen nach dem Parteigesetz, so die Verwaltungsrichter, bestehe nur „im Rahmen des geltenden Rechts“. Dagegen hätten die Grünen mit ihrem Boykottaufruf verstoßen. Gegen den Beschluß des Mannheimer VGH werden die Grünen in der kommenden Woche Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.