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P O R T R A I T Ein Freund Syriens

■ Zum Tod des libanesischen Ministerpräsidenten Raschid Karameh

Der 66jährige libanesische Ministerpräsident Raschid Karameh, der am Montag einem Anschlag zum Opfer fiel, gehörte zu den bekanntesten Politikern seines Landes. Als Bewun derer des äygptischen Staatschefs Gamal Abdel Nasser sah er den Libanon stets als Teil der arabischen Welt, im Gegensatz zur christlichen Falange–Partei. Zum benachbarten Syrien unterhielt er gute Beziehungen. Dabei mag mitgespielt haben, daß sich Karameh, der der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam angehörte, nie auf eine starke militärische Hausmacht stützen konnte. Karameh wurde 1921 in dem nordlibanesischen Dorf Mirita nahe der Hafenstadt Tripolis als Sohn einer wohlhabenden, einflußreichen Familie geboren. Nach einem Jura–Studium in Kairo und kurzer Tätigkeit als Rechtsanwalt wurde er im Jahre 1951 als Vertreter von Tripolis ins Parlament gewählt. Im September 1955 wurde er zum ersten Mal Ministerpräsident - im Alter von 33 Jahren der jüngste in der Geschichte des Libanon. Aus Protest gegen die pro–westliche Politik des christlichen Staatschefs Camille Shamoun trat er ein Jahr später zurück. In Übereinstimmung mit der libanesischen Verfassung, die vorsieht, daß der Ministerpräsident ein Sunnit sein muß, hatte er den Posten des Ministerpräsidenten mehrfach inne, zwischen 1958 und 1970 fast ununterbrochen und erneut in der Mitte der siebziger Jahre während des Bürgerkrieges. Karameh war als Interessenvertreter der alteingesessenen sunnitischen Bourgeoisie, die auch in der Vergangenheit enge Verbindungen nach Damaskus unterhielt, durchaus zur wirtschaftlichen Kooperation mit der christlichen Oberschicht fähig. Der Versuch, im April 1984 auch die Gewinner der letzten Bürgerkriegsrunde, die schiitische Amal–Miliz und die Drusen, in die Regierung der „nationalen Einheit“ einzubinden, scheiterte jedoch. Voraussetzung für die Bildung der Regierung der „Nationalen Einheit“ war die Aufkündigung eines von den moslemischen und prosyrischen Parteien scharf kritisierten „Sicherheitsabkommens“ mit Israel durch den christlichen Präsidenten Gemayel. An der Haltung zur anderen Regionalmacht Syrien brach die Regierung schließlich auseinander. Seit Gemayel sich im Januar 1986 geweigert hatte, einen unter syrischer Regie ausgearbeiteten Friedensplan zu akzeptieren, hatten die Minister der moslemischen Opposition mit Karameh an der Spitze den Staatschef boykottiert. Die Regierung vegetierte in Untätigkeit dahin; der letzte Versuch Mitte April, zum ersten Mal seit sieben Monaten eine Kabinettssitzung zur dramatischen wirtschaftlichen Situation des Landes abzuhalten, blieb ohne jedes Ergebnis. Am 4. Mai warf Karameh das Handtuch. Gemayel hatte sein Rücktrittsgesuch nicht angenommen. Ein Nachfolger für den erfahren Politiker im sunnitischen Lager drängt sich nicht auf.

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