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I N T E R V I E W Deutsche VoBo–Gründlichkeit

■ Wolfgang Raab, Sprecher des Bonner Koordinationsbüros der Volkszählungsgegner zum Zwischenstand der Zählung in den Altpapier–Sammelstellen

taz: Zwölf Tage nach dem Stichtag der Volkszählung kann die VoBo–Bewegung noch nicht mal die Hälfte der von Bundesinnenminister Zimmermann prognostizierten 1,2 Millionen Boykotteure präsentieren. Ist das nicht ein ziemlich mageres Ergebnis? W. Raab: Wenn das der Endstand des Boykotts wäre, sicherlich. Aber es ist ja erst ein Zwischenstand. In den Großstädten ist nach unseren Informationen etwa ein Drittel der Fragebögen noch nicht verteilt. Pressemeldungen zufolge werden einige Erhebungsstellen fehlende Bögen erst Ende Juni verteilen. Die Volkszählung hat sich schon jetzt erheblich verzögert. Entweder weil boykotträchtige Stadtviertel noch ausgespart werden oder das Problem des Zählermangels noch nicht gelöst ist. Deshalb wird die Erhebung irgendwann in der Urlaubszeit beendet werden. Dementsprechend wird sich der Boykott bis in den Juli hinein fortsetzen. Trotzdem, wie schätzt Du das Zwischenergebnis ein? Rein rechnerisch war die VoBo–Bewegung schon jetzt erfolgreich. Daß im Großstadtmilieu von Berlin oder München mehr Leute verweigern als in ländlichen Regionen oder Kleinstädten, war vorher klar. Wenn man die Boykottzahlen in Relati preisgeben. Diese Relation wird sich zu ungunsten der Boykottbewegung verschlechtern, wenn erstmal die Leute, die jetzt ihren Fragebogen noch zuhause halten, ihn an die Behörde schicken. Nicht allein Bundesinnenminister Zimmermann bezweifelt die Glaubwürdigkeit der Boykottzahlen. Wie „ehrlich“ sind die Angaben? In erschreckendem Maße ehrlich. Manchmal habe ich das Gefühl, der deutsche Hang zur Gründlichkeit durchsetzt die VoBo–Bewegung. So rief die Gießener Ini an, ihre Anzahl müsse um 123 Boykotteure nach unten korrigiert werden. Die Gruppen gehen überall mit deutscher Gründlichkeit an den Boykott heran. Das betrifft auch ihre Zählweise. Sofern auf den leeren Bögen nicht vermerkt ist, wieviele Personen in dem Haushalt leben und das Haushaltsheft die kompletten fünf Personalbögen enthält, berechnen inzwischen die meisten Initiativen 2,5 Verweigerer. Das ist nämlich die auch von Statistikern immer zugrundegelegte durchschnittliche Haushaltsgröße. Einige Gruppen sind ganz sparsam und sagen: „Ein Heft gleich eine Boykotteurin“. Dadurch gleicht sich vermutlich auch die Sammelwut einiger Volkszählungsgegner aus. Hundertprozentig exakte Zahlen wird man wohl nicht erhalten. Wenn das Bundesinnenministerium unsere Zahlen als „niedrig“ kritisierte, wäre das konsequent. Aber die Behauptung, unsere Zahlen seien zu „hoch“ und womöglich durch „kriminelle Handlungen“ entstanden, zeigt nur, wie betroffen die Behörden sind. Sie wissen ja, daß ihr Rücklauf noch sehr gering ist. Du vermutest, daß sich die Volkszählung bis in den Juli zieht. Einige Altpapier–Sammelstellen wollten ihren Laden doch schon Anfang Juni schließen? Wir hatten nicht erwartet, daß sich die Volkszählung derart lange hinzieht. Ich vermute, daß alle Initiativen so lange weitermachen, wie sie noch leere Fragebögen erhalten. Aber darüber wird auch auf dem bundesweiten Treffen am nächsten Wochenende zu sprechen sein. Es ist wohl davon auszugehen, daß die etwa 1.500 lokalen VoBo–Gruppen noch eine ganze Zeit ihre täglichen Ergebnisse an die Regional– oder Landeskoordination weitergeben und wir in Bonn addieren. Das Gespräch führte Petra Bornhöft

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