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D O K U M E N T A T I O N „Mangel an historischem Bewußtsein“

■ Auszüge aus einem Beitrag zur deutschlandpolitischen Diskussion der Grünen am 17.Juni

Großdeutsche, nationalistische Politikvorstellungen treten nicht zufällig gerade jetzt manifest auf. Wir haben hier die Innenausstattung des deutsch–nationalen Chauvinismus, wie er sich in der Null–Lösungsdebatte zeigt: Weil die deutsche Vergangenheit doch nicht so schlimm war, brauchen sich die Deutschen auch nicht in Bescheidenheit zu üben. Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung müssen sich die Grünen fragen, wie sie der Renationalisierung der bundesdeutschen Außenpolitik begegnen und welche positive Perspektive sie außenpolitisch eröffnen wollen. (...) So ist zu fragen, ob die bedingungslose Forderung nach Austritt der BRD aus der NATO nicht auch der anachronistischen Vorstellung aufsitzt, nationalstaatliche Souveränität ließe sich im Zeitalter transnationaler politischer, ökonomischer und kultureller Entwicklungen herstellen. Denn in ihren Implikationen bedeutet ein einseitiger, alleiniger Austritt aus der NATO die politische Singularisierung der BRD, ihre scheinbare Rückführung in einen Zustand sich selbst genügenden Nationaldaseins. Daß die NATO–Frage zum ideologischen Dogma, zur Glaubensfrage, zur unantastbaren Grundkategorie politischen Selbstverständnisses werden konnte, ist eigentlich nur bei einer Partei wie den Grünen möglich, bei der die überwiegende Mehrheit ihrer Mitglieder einen erschreckenden Mangel an historischem Bewußtsein zeigt. Wäre ein solches vorhanden, würde realisiert werden können, daß sowohl die NATO als auch andere Organisationen des westlichen Bündnisses bei ihrer Schaffung neben ihrer Rolle im Kalten Krieg die Funktion hatten, durch die politische und organisatorische Integration des westdeutschen Staates, den Schutz vor Deutschland, vor einem Wiederaufleben des deutschen Militarismus und Nationalismus zu gewährleisten. (...) Es zeugt von beispielloser Naivität und erschreckender historischer Unkenntnis, wenn (in guter Absicht) geglaubt wird, ein bundesdeutscher NATO–Austritt würde zur Schwächung des Bündnisses führen und in seiner Beispielwirkung andere Austritte nach sich ziehen. Diese strategische Kalkulation hat nur den militärischen Block im Blick und übersieht die Bündnisfunktion der Einhegung und Domestizierung deutscher Hegemonialansprüche. Wenn die ideologischen Verfechter/innen des NATO–Austritts ihre Forderung politikfähig machen wollen, müssen sie sich Gedanken machen, wie sie dem ungeheuerlichen internationalen politischen, ökonomischen und kulturellen Druck begegnen wollen, dem die Bundesrepublik danach ausgesetzt sein wird. (...) Die entscheidende Fragestellung für die Grünen ist: Wie kann eine historisch bewußte, demokratische europäische Entwicklung und eine zunehmende Entmilitarisierung und Auflösung der Militärblöcke durch die BRD (und die DDR) politisch gefördert werden, ohne bei Nationalismen und Chauvinismen zu landen?

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