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Zeitgeist überm Kirchentag

■ 22. Evangelischer Kirchentag in Frankfurt ganz im Zeichen der Frau / Erstmals hat eine Frau die Leitung / Mehr als 120.000 Dauerteilnehmer versammelt / Friedensnobelpreisträger Eli Wiesel sagte ab

Von Maria Neef–Uthoff

Frankfurt (taz) - Mit einem Bild von Hammer und Sichel und den Anfangsbuchstaben der verbotenen südafrikanischen Befreiungsorganisation ANC waren in Frankfurt einige Plakate des 22. Deutschen Evangelischen Kirchentags überklebt worden. In dieser Aktion, meinte der Generalssekretär des Kirchentags, Christian Krause, auf der Eröffnungspressekonferenz am Mittwoch, sei erkennbar, „daß bei etlichen Gruppierungen die Tendenz zum Reden und Handeln ohne Anzeige der Bereitschaft zum Zuhören zunimmt“. Inzwischen wurden die überklebten Plakate wieder einwandfrei gemacht. Ob damit auch die stille Hoffnung der Organisatoren erfüllt wird, das Thema Südafrika mit seinen vorausgegangenen Konflikten zwischen Kirchenleitung und Deutscher Bank und Dritte– Welt–Gruppen, die schließlich zur Kontenkündigung bei der Deutschen Bank führten, nicht zum zentralen Thema des Kirchentags werden zu lassen, bleibt dahingestellt. Der Kirchentag 1987 wird zum ersten Mal von einer Frau geleitet, der Sozialarbeiterin Eleonore von Rotenhan als amtierende Präsidentin. Sie nannte den Kirchentag einen „Seismographen“ für die Probleme dieser Gesellschaft und äußerte die Hoffnung, daß auf dieser fünftägigen Veranstaltung die wichtigsten Probleme dieser Welt und Ansätze zu deren Lösungen wie „in einem Brennglas“ erkennbar werden. Betrachtet man das Programm für die Tage vom 17. bis 21. Juni, so ist man eher erschlagen als konzentrationsfähig, so vielfältig zeitgeistig und überbordernd erscheinen die Angebote dieser sich selbst gern als Gegenöffentlichkeit bezeichneten Veranstaltung. Gottesdienste, Meditationen und Seelsorgeberatung sollen den erwarteten über 120.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen Rückgrat, Rückzug und Stille bieten. Den Eröffnungsgottesdiensten folgte am Mittwoch der Abend der Begegnung in der Innenstadt. Donnerstag, Freitag und Samstag sind vollgepackt mit Veranstaltungen. Die Kirchentagslosung „Seht, welch ein Mensch“ wird an den drei Tagen an Bibelarbeit, Vorträgen, Arbeitsgruppen und Foren entfaltet. Dazu sind fünf Themengruppen gebildet, zu Fragen des Glaubens, des Lebens, der Innen– und Außenpolitik und des Verhältnisses zu Natur und Technik. Neben den theologischen Fragen gilt das Interesse besonders drei Gebieten: Themenbereich2 befaßt sich mit Fragen der Erziehung, des Alterns, der Krankheit, des Zusammenhangs von Heil und Heilung. Die polischen Fragen behandelt Themenbereich4: „Gerechtigkeit und Frieden, Schritte zum Konzil“. Dazu gehören unter anderem Südliches Afrika, Lateinamerika, Verständigung mit der Sowjetunion und Frieden. Zu Themenbereich5 gehören Computer– Technologie, Bio– und Gentechnik und Frauen. Frauen werden auf diesem Kirchentag besonders berücksichtigt. Auch Prominenz lockt mit Bibelarbeit: Die Bundesgesundheitsministerin Süssmuth fehlt genausowenig wie die Grüne Abgeordnete Antje Vollmer.

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