: Gericht bestätigt B–Waffen–Forschung
■ Tierärztliche Hochschule Hannover forscht an biologischen Kampfstoffen / Grüne dürfen weiter von Militärforschung an der Hochschule sprechen / Das Landgericht Hannover hob einstweilige Verfügung auf
Aus Hannover Jürgen Voges
Durch ein Urteil des Landgerichts Hannover ist bestätigt worden, daß Forschungen in der Virologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) an Bakterien, Viren und Toxinen nicht ziviler sondern militärischer Natur sind. Die niedersächsischen Grünen dürfen weiterhin behaupten, daß an der Hochschule „Militärforschung an potentiellen Biowaffen und biologischen Kampfstoffen“ betrieben wird. Die 19. Kammer des Landgericht hat am Dienstag eine einstweilige Anordnung aufgehoben, in der dem Landesgeschäftsführer der Grünen, Kiper, untersagt worden war, von Militärforschung an der TiHo zu sprechen. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit den Dokumenten, die die Grünen in der Hauptverhandlung vorgelegt hatten. Dr. Kiper hatte belegen können, daß ein Forschungsprojekt der TiHo zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Arboviren und die venezolanische Pferdeenzephalitis vom Bundesverteidigungsministerium initiiert und finanziert wurde. Aus weiteren Papieren, die der Mikrobiologe präsentierte, war zu entnehmen, daß die Forschungen an der TiHo in Kooperation mit Dienststellen des Pentagon durchgeführt werden und mit den Verteidigungsministerien anderer NATO–Länder abgesprochen sind, um Doppelforschungen bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Bio–Waffen zu vermeiden. Selbst den Bericht der Enquete–Kommission des Bundestages zur Gen–Technologie konnten die Grünen ins Feld führen. Dort waren die umstrittenen Forschungen der TiHo explizit als Versuche an B–Waffen bezeichnet worden. Nach Ansicht der 19. Kammer des Landgerichts belegen die Dokumente der Grünen, daß die Bezeichnung Militärforschung an potentiellen Biowaffen „jedenfalls nicht grob unrichtig“ ist. Diese Bezeichnung, so begründete die Kammer ihre Entscheidung, sei von daher durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt und für die Forscher der Tierärztlichen Hochschule nicht ehrabschneidend. Trotz dieses Erfolges müssen die Grünen allerdings drei Viertel der Verfahrenskosten tragen. Ihr Landesgeschäftsführer hatte bereits im Laufe des Verfahrens eine Reihe weitergehender Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten, die ebenfalls durch die einstweilige Verfügung untersagt worden waren. So spricht Dr. Kiper heute nicht mehr von einer Bedrohung für die hannoversche Bevölkerung durch die Biowaffenforschung, sondern nur noch von einem „Restrisiko“. In der Hauptverhandlung hatte sich herausgestellt, daß die risikoreiche Kultivierung von Erregern nicht in Hannover betrieben wird. Die Vertreter der TiHo hatten erklärt, daß sie die Viren für ihre Experimente von der Wehrwissenschaftlichen Dienststelle der Bundeswehr für ABC–Schutz in Munster beziehen. Nun müsse man davon sprechen, so sagte Dr.Kiper nach der Urteilsverkündung, daß nicht die Bevölkerung Hannovers, sonder die der Umgebung von Munster durch die Forschungen gesundheitlich gefährdet sei. Die Grünen dürfen außerdem nicht behaupten, daß im Rahmen der Militärforschung an der TiHo auch monoklonale Antikörper gegen Cholera– und Pestbakterien entwickelt werden. Die Vertreter der TiHo hatten im Verfahren zwar bestätigen müssen, daß ein von den Grünen vorgelegter Abriß eines Forschungsvorhabens mit diesen Seuchenerregern aus ihrem Hause stammt, bestritten aber, daß dieses Vorhaben jemals umgesetzt worden sei. Nach Meinung von Dr. Kiper beruhte dieser Punkt der einstweiligen Anordnung allerdings auf einem schlichten Mißverständnis eines Überforderten Gerichts. „Auch ich habe nie behauptet“, so Kiper, „daß diese Forschungen über die Planung hinausgekommen sind und hatte also in diesem Punkte auch nichts zurückzunehmen.“
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